Donnerstag, 12. März 2015

Gustav Robert Kirchhoff: Mechanik

Die Mechanik ist die Wissenschaft von der Bewegung; als ihre Aufgabe bezeichnen wir: die in der Natur vor sich gehenden Bewegungen vollständig und auf die einfachste Weise zu beschreiben.

Bewegung ist Änderung des Ortes mit der Zeit; was sich bewegt, ist die Materie. Zur Auffassung einer Bewegung sich die Vorstellungen von Raum, Zeit und Materie nötig, aber auch hinreichend. Mit diesen Mitteln muss die Mechanik suchen, ihr Ziel zu erreichen, und mit ihnen muss sie die Hilfsbegriffe konstruieren, die sie dabei nötig hat, z.B. die Begriffe der Kraft und der Masse.

Es soll die Beschreibung der Bewegungen eine vollständige sein. Die Bedeutung dieser Forderung ist vollkommen klar: es soll eben keine Frage, die in Betreff der Bewegungen gestellt werden kann, unbeantwortet bleiben. Nicht so klar ist die Bedeutung der zweiten Forderung, dass die Beschreibung die einfachste sei. Es ist von vornherein sehr wohl denkbar, dass Zweifel darüber bestehen können, ob eine oder eine andere Beschreibung gewisser Erscheinungen die einfachere ist; es ist auch denkbar, dass eine Beschreibung gewisser Erscheinungen, die heute unzweifelhaft die einfachste ist, die man geben kann, später, bei weiterer Entwicklung der Wissenschaft, durch eine noch einfachere ersetzt wird. Dass Ähnliches stattgefunden hat, dafür bietet die Geschichte der Mechanik mannigfaltige Beispiele dar.

(§1 der 1876 erschienenen Vorlesungen über mechanischen Physik)

ZUM GEBURTSTAG DES PHYSIKERS

Über den Autor (1824-1887)

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