Freitag, 13. März 2015

Moritz Graf von Strachwitz: Ein wildes Lied

Viel Sänger singen weit und breit,
    Sie singen in Zorn und Harm,
Sie wollen wecken die träge Zeit
    Aus des Schlummers bleiernem Arm

Im Schlummer sterben die Völker hin,
    Am Banner schläft der Soldat,
Am Busen der Zeit, der Schläferin,
    Da schlummert die große Tat.

Die Freiheit schlummert im harten Schoß
    Friedseliger Tyrannei,
Nur der Krämer, er sucht noch ruhelos
    Sein goldenes Straußenei.

Viel Lerchen schwirren im Sonnenlicht,
    Indes die Gebirge ruhn,
Sie stören den Schlaf der Lawine nicht,
    Der Donner, er wird es tun.

Und können die Sänger mit Wort und Klang
    Nicht erschließen das Aug' der Zeit:
So wollt' ich, es bräche den Schlummerzwang
    Ein großer, grimmer Streit;

So wollt' ich, es stürzte Geschlecht auf Geschlecht
    Und donnerte Stamm auf Stamm;
So wollt' ich, es sprengte das Mordgefecht
    Der Erde vermorschten Damm.

Komm, Schlachtengebrüll, du Donnerwort,
    Mit Wundengeklaff und Tod,
Mit Völkergroll und Völkermord
    Und Völkermorgenrot!

Komm, Klingenwechsel und Schwerterblitz,
    Komm, rasselnder Reitersturm,
Vor deinem Atem, du Mordgeschütz,
    Zerfahre Mauer und Turm!

Und bricht entzwei die alte Welt,
    Vom Stoß zusammengedrückt:
Viel besser, daß sie in Trümmer fällt,
    Als daß sie schlafend erstickt.

(Aus der Gedichtsammlung 'Lieder des Erwachenden' von 1842)

ZUM GEBURTSTAG DES DICHTERS

Über den Autor (1822-1847)

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