O ihr Menschen die ihr mich für Feindseelig störisch oder Misantropisch
haltet oder erkläret, wie unrecht thut ihr mir, ihr wißt nicht die
geheime ursache von dem, was euch so scheinet, mein Herz und mein Sinn
waren von Kindheit an für das zarte Gefühl des Wohlwollens, selbst große
Handlungen zu verrichten dazu war ich immer aufgelegt, aber bedenket
nur daß seit 6 Jahren ein heilloser Zustand mich befallen,
durch unvernünftige Ärzte verschlimmert, von Jahr zu Jahr in der
Hofnung gebessert zu werden, betrogen, endlich zu dem überblick eines
daurenden Übels
(dessen Heilung vieleicht Jahre dauren oder gar unmöglich ist)
gezwungen, mit einem feurigen Lebhaften Temperamente gebohren selbst
empfänglich für die Zerstreuungen der Gesellschaft, muste ich früh mich
absondern, einsam mein Leben zubringen, wollte ich auch zuweilen mich
einmal über alles das hinaussezen, o wie hart wurde ich durch die
verdoppelte traurige Erfahrung meines schlechten Gehör’s dann
zurückgestoßen, und doch war’s mir noch nicht möglich den Menschen zu
sagen: sprecht lauter, schreyt, denn ich bin Taub, ach wie wär es
möglich
daß ich
da die Schwäche
eines Sinnes
angeben sollte, der bey mir in einem Vollkommenern Grade als bey andern
seyn sollte, einen Sinn den ich einst in der grösten Vollkommenheit
besaß, in einer Vollkommenheit, wie ihn wenige von meinem Fache gewiß
haben noch gehabt haben – o ich kann es nicht, drum verzeiht, wenn ihr
mich da zurückweichen sehen werdet, wo ich mich gerne unter euch
mischte, doppelt Wehe thut mir mein unglück, indem ich dabey verkannt
werden muß, für mich darf Erholung in Menschlicher Gesellschaft, feinere
unterredungen, Wechselseitige Ergießungen nicht statt haben, ganz
allein fast nur so viel als es die höchste Nothwendigkeit fodert, darf
ich mich in Gesellschaft einlassen, wie ein Verbannter muß ich leben,
nahe ich mich einer Gesellschaft, so überfällt mich eine heiße
Ängstlichkeit, indem ich befürchte in Gefahr gesezt zu werden, meinen
Zustand merken zu laßen – so war es denn auch dieses halbe Jahr, was ich
auf dem Lande zubrachte, von meinem Vernünftigen Arzte aufgefodert, so viel als möglich mein Gehör zu schonen, kam er
mir
fast meiner jezigen natürlichen Disposizion entgegen, obschon, Vom
Triebe zur Gesellschaft manchmal hingerissen, ich mich dazu verleiten
ließ, aber welche Demüthigung wenn jemand neben mir stund und von weitem
eine Flöte hörte und
ich nichts hörte, oder jemand den
Hirten Singen hörte, und ich auch nichts hörte, solche Ereignisse brachten mich nahe an Verzweiflung, es fehlte wenig, und ich endigte selbst mein Leben – nur sie die
Kunst,
sie hielt mich zurück, ach es dünkte mir unmöglich, die Welt eher zu
verlassen, bis ich das alles hervorgebracht, wozu ich mich aufgelegt
fühlte, und so fristete ich dieses elende Leben – wahrhaft elend, einen
so reizbaren Körper, daß eine etwas schnelle Verändrung mich aus dem Besten Zustande in den schlechtesten versezen kann –
Geduld
– so heist es, Sie muß ich nun zur führerin wählen, ich habe es –
daurend hoffe ich, soll mein Entschluß seyn, auszuharren, bis es den
unerbittlichen Parzen gefällt, den Faden zu brechen, vieleicht geht’s
besser, vieleicht nicht, ich bin gefaßt – schon in meinem 28 Jahre
gezwungen Philosoph zu werden, es ist nicht leicht, für den Künstler
schwerer als für irgend jemand – Gottheit du siehst herab auf mein
inneres, du kennst es, du weist, daß menschenliebe und neigung zum
Wohlthun drin Hausen, o Menschen, wenn ihr einst dieses leset, so denkt,
daß ihr mir unrecht gethan, und der unglückliche, er tröste sich, einen
seines gleichen zu finden, der troz allen Hindernissen der Natur, doch
noch alles gethan, was in seinem Vermögen stand, um in die Reihe
würdiger Künstler und Menschen aufgenommen zu werden – ihr meine Brüder
Carl
und
Johann, sobald ich Tod bin und Professor schmid lebt noch, so
bittet ihn in meinem Namen, daß er meine Krankheit beschreibe, und
dieses hier geschriebene Blatt füget ihr dieser meiner Krankengeschichte
bey, damit wenigstens so viel als möglich die Welt nach
meinem Tode mit mir versöhnt werde – zugleich erkläre ich euch beyde
hier für die Erben des kleinen Vermögens, (wenn man es so
nennen kann) von mir, theilt es redlich, und vertragt und helft euch
einander, was ihr mir zuwider gethan, das wist ihr, war euch schon
längst
verziehen, dir Bruder
Carl danke ich noch in’s besondre für deine in dieser leztern spätern Zeit mir bewiesene Anhänglichkeit, Mein Wunsch ist, daß euch ein bessers sorgenloseres Leben, als mir, werde, emphelt euren Kindern
Tugend,
sie nur allein kann glücklich machen, nicht Geld, ich spreche aus
Erfahrung, sie war es, die mich selbst im Elende gehoben, ihr Danke ich nebst meiner Kunst, daß ich durch keinen selbstmord mein Leben
endigte – lebt wohl und liebt euch; – allen Freunden danke ich,
besonders fürst
Lichnovski und Professor schmidt – die Instrumente von fürst Lichnowsky
wünsche ich, daß sie doch mögen aufbewahrt werden bey einem von euch,
doch entstehe deswegen kein Streit unter euch, sobald sie euch aber zu
was nüzlicherm dienen können, so verkauft sie nur, wie froh bin ich,
wenn ich auch noch unter meinem Grabe euch nüzen kann – so wär’s
geschehen - mit freuden eil ich dem Tode entgegen – kömmt er früher als
ich Gelegenheit gehabt habe, noch alle meine Kunst-Fähigkeiten zu
entfalten, so wird er mir troz meinem Harten Schicksaal doch noch zu
frühe kommen, und ich würde ihn wohl später wünschen – doch auch dann
bin ich zufrieden, befreyt er mich nicht von einem endlosen Leidenden
Zustande? – Komm, wann du willst, ich gehe dir muthig entgegen – lebt
wohl und Vergeßt mich nicht ganz im Tode, ich habe es um euch verdient,
indem ich in meinem Leben oft an euch gedacht, euch glücklich zu machen,
seyd es –
(
Briefentwurf vom Oktober 1802)
Aus der letzten Komposition (Streichquartett op. 135), Orchesterfassung mit Leonard Bernstein
ZUM TODESTAG DES MUSIKERS
Über den Autor (1770-1827)
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