Freitag, 20. März 2015

Robert Mayer: Bemerkungen über die Kräfte der unbelebten Natur

Fallkraft (d.h räumlicher Abstand der Matertien) , Bewegung, Wärme, Elektrizität (d.h. elektrische Differenz) sind ein und dasselbe Objekt, aber freilich unter ganz verschiedenen Formen. Da es dem Sprachgebrauche gemäß ist, die Ursachen der Bewegungen "Kräfte" zu nennen, so verdienen diese Objekte alle den Namen "Kräfte". Will man die Eigenschaften der Materien auch noch Kräfte nennen, so muss man diese letzteren von ersteren sorgfältig trennen, sonst entsteht eine jammervolle Begriffsverwirrung; Wärmekapazität und Wärme, Schwere und Fallkraft, chemische Affinität und chemische Differenz sind, wie Präparieren und Operieren, ganz verschiedene Dinge. – Bewegung entsteht nicht von selbst. Sie lässt sich nur produzieren durch einen Aufwand von Fallkraft oder von chemischer Differenz. Ersteres geschieht in den Wassermühlen, der Zwischenraum zwischen dem Wasser und dem Erdkörper wird hier vermindert oder geopfert, das zweite in den Dampfmaschinen, wo die Differenz zwischen Kohlenstoff und Sauerstoff geopfert wird. Will man Elektrizität zu Hilfe nehmen, so muss diese selbst, wie die Bewegung, auf chemischem oder mechanischem Wege gewonnn sein. – Was Wärme, was Elektrizität usw. dem innern Wesen nach sei, weiß ich nicht, so wenig, als ich das innere Wesen einer Materie oder irgendeines Dinge überhaupt kenne. Das weiß ich aber, dass sich in den Zusammenhang vieler Erscheinungen viel klarer sehe, als man bisher gesehen hat, und dass ich über das, was eine Kraft ist, helle und gute Begriffe geben kann. Hört man auf von Schwerkraft und chemischer Affinität als von Ursachen von Erscheinungen zu sprechen, d.h. entreißt man den Namen Kraft solchen Dingen, die keine Kräfte sind, so kommt man mit heilsam geläuterten Begriffen zum Studium der belebten Natur; man weiß unter anderm, was auf Rechnung der Kräfte der unbelebten Natur kommen kann und muss, und die Lebenskraft, Nervenkraft verliert damit wieder ein großes Terrain; die Faseleien der Naturphilosophen stehen in erbärmlicher Nacktheit am Pranger.

(Brief an Wilhelm Griesinger vom 30. November 1842)

ZUM TODESTAG DES NATURFORSCHERS

Über den Autor (1814-1878)

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