Montag, 9. März 2015

Peter Altenberg: Ansichtskartentexte

Seele, wie bist du schöner, tiefer, nach Schneestürmen – – –.
     Auch du hast sie, gleich der Natur – – –.
     Und über beiden liegt noch ein trüber Hauch, wenn das Gewölk sich schon verzog!

* * *

Sahst du nach dem Gewitterregen den Wald?!?
     Alles rastet, blinkt und ist schöner als zuvor – –.
     Siehe, Fraue, auch du brauchst Gewitterregen!

* * *

Über die Grenzen des All blicktest du sinnend hinaus;
     Hattest nie Sorge um Hof und Haus!
     Leben und Traum vom Leben – – – – plötzlich ist alles aus – – –.
     Über die Grenzen des All blickst du noch sinnend hinaus – – –!

* * *

 « Nichts ist gekommen, nichts wird kommen für meine Seele – – –.
     Ich habe gewartet, gewartet, oh, gewartet –.
     Die Tage werden dahinschleichen –.
     Und umsonst wehen meine aschblonden seidenen Haare um mein bleiches Antlitz – – –.»

* * *

Hier ist Friede – – –. Hier weine ich mich aus über alles. Hier löst sich mein unermeßliches unfaßbares Leid, das meine Seele verbrennt. Siehe, hier sind keine Menschen, keine Ansiedlungen. Hier tropft Schnee leise in Wasserlachen – – –.
     Hier suchte sie die ersten Blüthen, und fand nichts. Und ich sagte zu ihr: «Diese gelbgrünen feuchten Rasenflecke, die der zerrinnende Schnee bloßlegt, sind schöner als Blumen – – –.» Da sah sie hin und erkannte!
     Hier bleibe stehen mit deiner geliebtesten Freundin, und belausche ihr Antlitz – – –! Fühlt sie dasselbe wie du, dann kannst du beruhigt mit ihr weiterschreiten, in die Gelände des Lebens!
     Ich suchte eine Frau, die den Schnee wirklich liebte; und ich fand keine; Sie benützten nur den Schnee, für ihre Skier! –

(Aus der Sammlung 'Was der Tag mir zuträgt' von 1901)

Alban Berg: Orchesterlieder nach Ansichtskarten von Peter Altenberg; gesungen von Renée Fleming

ZUM GEBURTSTAG DES SCHRIFTSTELLERS

Über den Autor (1859-1919)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen