Vor allen Dingen vergesse man nie, dass die Leute unterhalten, amüsiert sein wollen; dass selbst der unterrichtendste Umgang ihnen in der Länge ermüdend vorkommt,
wenn er nicht zuweilen durch Witz und gute Laune gewürzt wird; dass
ferner nichts in der Welt ihnen so witzreich, so weise und so ergötzend
scheint, als wenn man sie lobt, ihnen etwas Schmeichelhaftes sagt; dass
es aber unter der Würde eines klugen Mannes ist, den Spaßmacher, und
eines redlichen Mannes unwert, den niedrigen Schmeichler zu machen.
Allein es gibt einen gewissen Mittelweg; diesen rate ich einzuschlagen,
und da jeder Mensch doch wenigstens eine gute Seite hat, die man loben
darf, und dies Lob, wenn es nicht übertrieben wird, aus dem Munde eines
verständigen Mannes Sporn zu größerer Vervollkommnung werden kann, so
ist das Wink genug für den, der mich verstehn will. / Zeige, so viel du kannst, eine immer gleiche, heitere Stirne!
Nichts ist reizender und liebenswürdiger, als eine gewisse, frohe,
muntre Gemütsart, die aus der Quelle eines schuldlosen, nicht von
heftigen Leidenschaften in Tumult gesetzten Herzens hervorströmt.
Wer immer nach Witz hascht, wem man es ansieht, dass er darauf studiert
hat, die Gesellschaft zu unterhalten, der gefällt nur auf kurze Zeit und
wird bei wenigen Interesse erwecken; er wird nicht aufgesucht werden
von denen, deren Herz sich nach besserem Umgange und deren Kopf sich
nach sokratischer Unterhaltung sehnt. / Wer immer Spaß machen will, der erschöpft sich nicht nur leicht
und wird matt, sondern hat auch die Unannehmlichkeit, dass, wenn er
einmal gerade nicht aufgelegt ist, seinen Vorrat
von lustigen Kleinigkeiten zu öffnen, seine Gefährten das sehr ungnädig
aufnehmen. Bei jeder Mahlzeit, zu welcher er gebeten wird, bei jeder
Aufmerksamkeit, die man ihm erweist, scheint die Bedingung schwer auf
ihm zu liegen, daß er diese Ehre durch seine Schwänke zu verdienen
suchen solle; und will er es einmal wagen, den Ton zu erheben und etwas
Ernsthaftes zu sagen, so lacht man ihm gerade in das Gesicht, ehe er mit
seiner Rede halb zu Ende ist. Wahrer Humor und echter Witz lassen sich
nicht erzwingen, nicht erkünsteln, aber sie wirken, wie das Umschweben
eines höhern Genius, wonnevoll, erwärmend, Ehrfurcht erregend.
(Aus dem Ersten Teil des 1788 erschienenen Werks)
ZUM TODESTAG DES AUFKLÄRERS
Über den Autor (1752-1796)
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