Es scheint, als ob das Griechische die künftige Philosophie schon
virtuell in sich enthielte: so unendlich ist seine Schmiegsamkeit an den
Gedanken, dessen durchsichtigste Hülle es ist, vollends aber an den philosophischen Gedanken. Wir haben es mit einer vollständig von den
Einzeldingen abgelösten Sprachwelt zu tun; mit einer Sprache, die, wie
man richtig sagt, an sich schon eine praktische Dialektik und schon
darum in philosophischen Bezeichnungen überaus schöpferisch ist. Der
Annahme gegenüber, dass die größten und entscheidenden Ideen aus Ägypten
möchten gekommen sein, dürfte schon die Erwägung berechtigt sein, ob das
Altägyptische überhaupt eines unbildlichen Ausdruckes fähig gewesen
sei, ob es einen freien Fluss abstrakter Gedanken gehabt habe. Auch die
semitischen Sprachen stehen hinter dem Griechischen weit zurück. Den
Aristoteles ins Hebräische zu übersetzen, würde gewiss unmöglich sein,
und sogar die Araber hätten ohne die griechischen Vorbilder keine
Philosophie bekommen; nur die Inder und Germanen hatten wohl außer den Griechen eine Sprache, die von Hause aus zur Philosophie taugte.
(Aus dem achten Abschnitt "Zur Philosophie, Wissenschaft und Redekunst" des postum von 1898 bis 1902 erschienenen Werks)
ZUM GEBURTSTAG DES HISTORIKERS
Über den Autor (1818-1897)
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