Selbstverständlich wird ein geistig höher organisierter Mensch
nur aus Versehen aktiv. Man kann ja geistig minder hoch organisiert und
doch ein wertvoller Mensch sein. Wir sind aber keine Vereinigung
wertvoller Menschen, sondern eine freie wissenschaftliche Vereinigung.
Die FWV muss also ihre Mitglieder erziehen. / Im allgemeinen wird man bei uns nur bis zur Eintragung in das
Anmeldebuch beachtet. Auch die Vorträge und Diskussionsabende werden
mehr zu Keilzwecken als zu Nutz und Frommen der FWVer veranstaltet. / II. / Durch seinen Eintritt in die FWV gibt man zu, dass man einen
wissenschaftlichen Verkehr für nützlich hält. Der Nutzen dieses Verkehrs
kann unmöglich in der Sammlung von allerlei Kenntnissen bestehen, denn
wenn es auf Kenntnisse ankäme, wäre ein Konversationslexikon weiser als
Sokrates. Die Förderung durch die geistige Tätigkeit kann nur in der
Förderung der geistigen Tätigkeit bestehen. Darauf kommt es an. Nicht
darauf, dass man seine Phrasen spazieren führt und sie eine
Weltanschauung benamst. Jede Ansicht ist beschränkt, nur wer immer
strebend sich bemüht, kann sich aus Beschränkung und Beschränktheit
erlösen. / III. / Die Beschäftigung mit künstlerischen Problemen. Auch da kann
die Debatte nur den fördern, der sich selber fördert. Ich habe noch nie
einen Bundesbruder im Museum oder in einer Gemäldeausstellung getroffen.
/ IV. / "Ich erlaube jedem Erfahrungsmanne, der doch immer, wenn was
Tüchtiges aus ihm wird, ein 'philosophe sans le savoir' [= Unwissender] ist und bleibt
gegen die Philosophie, besonders wie sie in unsern Tagen erscheint, eine
Art Apprehension [= Widerwillen], die aber nicht in Abneigung auflösen, sondern sich in
eine stille vorsichtige Neigung auflösen muss. Geschieht das nicht, so
ist, ehe man sichs versieht, der Weg zur Philisterei betreten, auf dem
ein guter Kopf sich nur desto schlimmer befindet, als er, auf eine
ungeschickte Weise, die bessere Gesellschaft vermeidet, die ihm allein
bei seinem Streben behilflich sein konnte." (Goethe an Fr. H. Jakobi, am 23.11.1801) / Auch die vorsichtigste Neigung fordert und erlaubt eine gewisse Beschäftigung mit ihrem Gegenstande. / V. / Ja, aber ...! Sehr richtig! Da alles in der Welt seine Ursachen
hat, so hat es auch seine Ursachen, wenn man Banause ist. Man ist es
darum aber doch, und doch ein schlechter FWVer. / VI. / Wehe dem Nicht-FWVer, der sagt: "Die FWV bietet bloß
allerlei Brocken aus allen möglichen Gebieten des Wissens und
Nichtwissens. Populärwissenschaft für Studierende." Und doch wird der
wissenschaftliche Teil vom Vorstand mit Absicht zu einer geistigen
Brockensammlung gemacht. Man wird ja auch nicht wegen seiner Intelligenz
Vorstandsmitglied. / Daher bringen unsere Abende keinen zusammenhängenden,
fortlaufenden Ideenaustausch und bieten nur selten und zufällig
Förderndes. / VII. / Platos Akademie war die erste FWV! Wer über diesen Satz
lacht, erklärt sich oder seine Bundesbrüder für inferior [= minderwertig]. Wir wollen
unsere Sache endlich einmal ernst nehmen!
(Untertitel des postum, nach 1942, erschienenen Prosastücks: Leider fühlen sich die meisten nicht getroffen)
ZUM GEBURTSTAG DES EXPRESSIONISTISCHEN DICHTERS
Über den Autor (1887-1942)
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