Es war an einem der ersten schönen Frühlingsmorgen. Allenthalben, auf
Feldern, auf Wiesen und im Wald, waren noch Spuren des vergangnen
Winters sichtbar, und der Härte, womit er lange gewütet; noch einmal
hatte er mächtig im Sturm seine Schwingen geschüttelt, aber es war zum
letztenmal. Die Wolken waren vertrieben vom Sturm, die Sonne
durchgebrochen, und eine laue milde Wärme durchströmte die Luft. Junge
Grasspitzen drängten sich hervor, Veilchen und süße Schlüsselblumen
erhoben furchtsam ihre Köpfchen, die Erde war der Fesseln entledigt und
feierte ihren Vermählungstag. / Mutig trabte ein Reisender den Hügel herauf.
Vertieft im Genuss der ihn umgebenden Herrlichkeit und in Phantasien, die
ihn bald vor-, bald rückwärts rissen, hatte er den rechten Weg verfehlt,
und nun sah er sich auf einmal vor einem Walde, den er durchreiten
musste, wenn er nicht gerade wieder umkehren und zurückreiten wollte; ein
andrer Weg war nicht zu finden. Er war lange zweifelhaft. / "Jetzt wieder umkehren wäre ein unnützes Stück
Arbeit. Wäre ich etwa umsonst hierher geraten? In diesen Wald kam ich
ungefähr auf eben die Weise wie ins Leben ... wahrscheinlich habe ich im
ganzen auch des Weges verfehlt. Und wie? wenn mir auch hier wie dort die
Rückkehr unmöglich wäre? ... Sei meine Reise wie mein Leben und wie die
ganze Natur, unaufhaltsam vorwärts! ... Was mir nur begegnen wird auf
dieser Lebensreise oder diesem Reiseleben? ... Ich rühme mich, ein
freier Mensch zu sein, und dieser Sonnenschein, dieses laue Umfangen,
die jungen Knospen, das Erwarten der Dinge, die mich umgeben, ist
schuld, dass auch ich erwarte ... und was? ... War ich doch mit allem
bunten Spielzeug schon längst Hoffnung und Erwartung entflohen! ...
Närrisch genug wäre es, wenn mich dieser Weg auch endlich an den rechten
Ort führte, wie alles Leben zum unvermeidlichen Ziel."
(Anfang des 1801 anonym erschienenen Romans)
ZUM TODESTAG DER SCHRIFTSTELLERIN
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