Es war einmal ein altes Schloss, umfasst von hohen Bergen, das selber
auf einem hohen Berg lag, etwas niederer als die ihn umgebenden. Wie ein
Ring umschloss das Tal den Berg, und in einem Ring umschlossen die
dunklen felseckigen Berge das Tal. Aus ihren Moosrinden wuchs hie und da
spärliches Binsengras hervor; unten im Tale lief hie und da ein
Bächlein durchs Grün an hie und dort einem Gebüsch vorüber, die Wurzeln
spülend. Oben im Gezweig guckten junge Vogelköpfchen aus den Halm- und
Mutterfederflaum-Nestchen dem harmlosen Dahinrollen unten zu, und war
der Bach artig, so erzählte er ihnen leise Märchen, und sie taten
zuweilen einen Piep des Wohlgefallens dazwischen; kurz, es war ein
schönes Leben in dem Gebüsch. – Bald flog eins in den Lüften oder sang
lieblich; sie hatten sich hier ungestört und häuslich zufrieden
niedergelassen. Es war ein Ausweg aus dem Tal, der ganz überbaut war von
Felsen; manchmal sah man in Mitten der Berge in den Eingang einer engen
dunklen Höhle, und an verschiednen Orten stürzten kleine Gießbäche
heraus, grade hinab ins Tal, brausten dort heftig auf und verloren sich
leise murmelnd. Die Grundmauern des Schlosses bauten sich dicht am Rande
der Felskuppe schräg in die Höhe, in kahlen Wänden, zuweilen durch ein
Fensterloch unterbrochen mit alten Eisenstäben verwahrt, mehr für Ratten
als für ein Menschengesicht. So erschienen die Wände auch belebt, wenn
in schönen Abendstunden die Welt hochrot gefärbt war und die dunkeln
Berge von mattem Rosenschimmer bestrahlt; da regte sich die ganze Burg.
Es war ein Getümmel von Begraurockten; da balanzierten die jungen Ratten
auf der schrägen Wand, da kam eine Rattenmutter mit sieben Jungen, die
sollten die Abendluft genießen, dort ein dicker Rattenklausner oder gar
ein vielköpfiger Rattenkönig; bis zuletzt ein graues Gewimmel die alten
Mauern deckte. Dann sah es wohl von weitem aus, wenn sich die Abendsonne
in einem Schloßfenster spiegelte, als leuchte sie den alten Steinen –
denn dafür hielt man die Ratten in der Ferne – zum Abendtanz, und man
hatte Angst, sie würden einmal ganz davon laufen und den Besitzer ohne
Besitz lassen. Es waren auch Türme an den Ecken, aber zerfallen, außer
einem, der noch zierlich an das alte Nest geklebt war; aber aus den
gotischen Rosen und Linien der Verzierungen wuchs Gras und Moos. / Dies war das Schloss von einem alten Grafen Rattenzuhausbeiuns, der mit einem Töchterchen dort wohnte.
(Anfang des zusammen mit Mutter Bettina geschriebenen, 1840 erschienenen Märchens)
ZUM GEBURTSTAG DER SCHRIFTSTELLERIN
Über die Autorin (1827-1889)
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