Friederike Caroline Neuber: Ein Deutsches Vorspiel
Lieber Leser!
Hier hast du was zu lesen. Nicht etwan von einem grossen gelehrten
Manne; Nein! nur von einer Frau, deren Namen du aussen wirst gefunden
haben, und deren Stand du unter den geringsten Leuten suchen mußt: Denn
sie ist nichts, als eine Comödiantin; von Geburt eine Deutsche. Sie kann
von nichts, als von ihrer Kunst Rechenschaft geben: Wenn sie gleich so
viel wissen sollte, daß sie einen jeden Künstler verstehen könnte; wenn
er von seiner Kunst redet. Fragst du: Warum sie auch schreibt? So
antwortet sie dir das, dem Frauenzimmer gewöhnliche, Darum!
Fragt dich jemand: Wer ihr geholfen hat? So sprich: Ich weis es nicht;
oder: Es könnte doch wohl seyn, daß sie es selbst gemacht hätte. Das
Werk ist in Reimen abgefasset. Ob die Verse rein, und die Gedanken
richtig sind; werden diejenigen wissen, die es verstehen. Was die Sache
betrifft: So gehören theils bekannte Geschichte, theils unbekannte
Gedichte darzu. Alles zu erklären schickt sich nicht vor sie. Alles zu
verschweigen ist hier nicht nöthig. Genung, daß sie sonst wohl schweigen
kann. Diejenigen; die von ihren Umständen etwas wissen, werden dieses
leicht glauben können; wer aber nichts von ihr weis, dem wird auch
dieses nichts schaden: Wenn er es gleich nicht glauben kann. Sie hat
zwar niemalen durch Schriften bekannt seyn; sondern nur, als eine
Comödiantin anderer Leute Leidenschaften bescheiden, vorsichtig,
aufrichtig und natürlich
vorstellen wollen: Itzt aber, da sie ihre eigene Rolle auf, und vor
der ganzen Welt zu spielen genöthiget wird; so schämet sie sich auch
nicht, ihren ersten sichtbaren Auftritt in diesen Blättern gedruckt zu
geben. Hat sie wo gefehlet; so wird sie die Fehler nicht entschuldigen:
Denn dadurch werden sie nicht besser. Sie wird um Verzeihung bitten, und
ein andermal so wenig fehlen, als es ihr nur möglich ist. Im übrigen
überläßt sie sich mit Freuden dem Urtheile dererjenigen, die da richtig
denken, zu rechter Zeit reden, und behutsam schweigen. Die übrigen
werden denken, was sie wollen; reden, wenn sie können; und schweigen,
wenn sie müssen. Sie bleibet beydes, der guten und bösen Welt
verpflichtet: Der guten; weil sie es würdig ist, der bösen; weil sie an
ihrer Besserung nicht zweifelt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen