Montag, 10. November 2014

Martin Luther: Das erste Gebot

Einen Gott haben bedeutet, etwas haben, an das ich mein Herz hänge und dem ich unbedingt vertraue.
Das heißt: Du sollst mich allein für deinen Gott halten. Was ist damit gesagt und wie ist es zu verstehen? Was heißt »einen Gott haben«, bzw. was ist Gott? Antwort: Ein »Gott« heißt etwas, von dem man alles Gute erhoffen und zu dem man in allen Nöten seine Zuflucht nehmen soll. »Einen Gott haben« heißt also nichts anderes, als ihm von Herzen vertrauen und glauben; wie ich oft gesagt habe, dass allein das Vertrauen und Glauben des Herzens etwas sowohl zu einem Gott als zu einem Abgott macht. Ist der Glaube und das Vertrauen recht, so ist auch dein Gott recht, und umgekehrt, wo das Vertrauen falsch und unrecht ist, da ist auch der rechte Gott nicht. Denn die zwei gehören zuhauf (zusammen), Glaube und Gott. Woran du nun, sage ich, dein Herz hängst und [worauf du dich] verlässest, das ist eigentlich dein Gott.

Der Sinn des ersten Gebotes: Häng dein Herz allein an Gott und nicht an andere Götter!
Darum ist nun der Sinn dieses Gebotes der, dass es rechten Glauben und Zuversicht des Herzens fordert, welche sich auf den rechten, einzigen Gott richtet und an ihm allein hängt. Und zwar will es soviel gesagt haben: »Sieh zu und lasse mich allein deinen Gott sein (ego solus Deus) und suche ja keinen andern.« Das heißt: was dir mangelt an Gutem, das erhoffe von mir und suche bei mir, und wenn du Unglück und Not zu leiden hast, so kriech und halt dich zu mir. Ich, ich will dir genug geben und aus aller Not helfen; lass nur dein Herz an keinem andern hangen noch ruhn.

Konkret heißt das: Häng dein Herz nicht an den Gott Geld und Gut, sondern an den wahren Gott!
Das muss ich noch ein wenig deutlicher ausführen, dass man's aus alltäglichen Beispielen von gegenteiligem Verhalten verstehe und erkenne. Es ist mancher, der meint, er habe Gott und alles zur Genüge, wenn er Geld und Gut hat; er verlässt sich darauf und brüstet sich damit so steif und sicher, dass er auf niemand etwas gibt. Sieh, ein solcher hat auch einen Gott: der heißt Mammon, d.h. Geld und Gut; darauf setzt er sein ganzes Herz. Das ist ja auch der allgemeinste Abgott auf Erden. Wer Geld und Gut hat, der weiß sich in Sicherheit, ist fröhlich und unerschrocken, als sitze er mitten im Paradies; und umgekehrt, wer keins hat, der zweifelt und verzagt, als wisse er von keinem Gott. Denn man wird ja ganz wenig Leute finden, die guten Mutes sind und weder trauern noch klagen, wenn sie den Mammon nicht haben; das klebt und hängt der [menschlichen] Natur an bis in die Grube.

Häng dein Herz nicht an den Gott Wissen, Macht und Einfluss, sondern an den wahren Gott!
Ebenso ist`s auch [mit einem], der darauf vertraut und trotzt, dass er großes Wissen, Klugheit, Gewalt, Beliebtheit, Freundschaft und Ehre hat. Der hat auch einen Gott, aber nicht diesen rechten, alleinigen Gott. Das siehst du abermals daran, wie vermessen, sicher und stolz man auf Grund solcher Güter ist, und wie verzagt, wenn sie nicht vorhanden sind oder einem entzogen werden. Darum sage ich noch einmal, dass die rechte Auslegung dieses Stückes das ist: »einen Gott haben« heißt etwas haben, worauf das Herz gänzlich vertraut.

Wer sein Herz an die Heiligen und an den Teufel hängt, glaubt nicht an den wahren Gott.
Sieh ebenso auf das, was wir bisher in der Blindheit unter dem Papsttum getrieben und getan haben: Wenn jemandem ein Zahn weh tat, so fastete er und verehrte die hl. Apollonia, fürchtete sich vor einer Feuersnot, so machte er den hl. Lorenz zum Nothelfer; flüchtete er sich vor der Pest, so geschah noch unzählig viel mehr, da jeder seinen Heiligen auswählte, anbetete und anrief, ihm in [seinen] Nöten zu helfen. Hierher gehören auch die, die es gar zu grob treiben und mit dem Teufel einen Bund machen, das er ihnen Geld genug gebe oder ihn zu ihrer Buhlschaft (Liebschaft) verhelfe, ihr Vieh bewahre, verlorenes Gut wiederbeschaffe usw., wie z.B. die Zauberer und Schwarzkünstler. Diese alle richten ja ihr Herz und ihr Vertrauen anderswohin als auf den wahrhaftigen Gott; sie erwarten nichts Gutes von ihm, suchen´s aber auch nicht bei ihm.

Der unfassliche Gott wird fassbar, wenn sich unser Herz an ihn hängt und ihm unbedingt vertraut.
So verstehst du nun leicht, was und wieviel dieses Gebot fordert: nämlich das ganze Herz des Menschen und alle Zuversicht allein auf Gott und niemanden anderes. Denn das kannst du dem leicht entnehmen, wenn man Gott haben will, kann man ihn nicht mit den Fingern greifen und fassen und nicht in den Beutel stecken oder in den Kasten schließen. Vielmehr heißt das ihn fassen, wenn das Herz ihn ergreift und an ihm hängt; mit dem ganzen Herzen aber an ihm hängen ist nichts anderes als sich gänzlich auf ihn verlassen

Gott will uns alles Gute schenken, das wir von anderen Göttern erwarten, der er der einzige und bleibende Gott ist.
Darum will er uns von allem andern, was außer ihm ist, abwenden und uns zu sich ziehen, weil er das einzige, ewige Gut ist. Es ist, als wollte er sagen: Was du vorher bei den Heiligen gesucht oder wofür du auf den Mammon und sonst etwas vertraut hast, das erwarte alles von mir, und halte mich für den, der dir helfen und dich mit allem Guten reichlich überschütten will. Sieh, damit hast du nun, was die rechte Ehrung Gottes und der rechte Gottesdienst ist, der Gott gefällt und den er auch bei seinem ewigen Zorn gebietet, nämlich: Das Herz soll sonst keinen Trost und keine Zuversicht kennen als zu ihm; es darf sich auch nicht davon wegreißen lassen, sondern muss darüber alles wagen und hintansetzen, was es auf Erden gibt.

Die Menschen verwechseln ihre Wunschvorstellungen von Gott mit Gott. Ihr Vertrauen ist fehlgeleitet und gründet auf dem reinen Nichts.
Demgegenüber wirst du leicht einsehen und beurteilen, wie die Welt lauter falschen Gottesdienst und Abgötterei treibt; denn es ist nie ein Volk, so ruchlos gewesen, dass es nicht einen Gottesdienst eingerichtet und gehalten hätte. Da hat jedermann den zu seinem besonderen Gott aufgeworfen, von dem er sich Gutes, Hilfe und Trost versprochen hat. So warfen z.B. diejenigen Heiden, die ihr Vertrauen auf Gewalt und Herrschaft setzten, ihren Jupiter zum höchsten Könige auf; die andern, die nach Reichtum, nach Glück oder nach Lust und guten Tagen trachteten, den Herkules, den Merkur, die Venus oder andere; die schwangeren Frauen die Diana oder Luciana und so fort, es machte sich jedermann das zum Gott, wohin ihn sein Herz zog. So heißt also eigentlich, auch nach aller Heiden Meinung; »einen Gott haben« soviel wie vertrauen und glauben. Der Fehler liegt aber daran, dass ihr Vertrauen falsch und unrecht ist; denn es ist nicht auf den einzigen Gott gerichtet, außer dem es wahrhaftig keinen Gott gibt weder im Himmel noch auf Erden. Deshalb machen die Heiden eigentlich ihr selbsterdachtes Wahn- und Traumbild von Gott zum Abgott und verlassen sich aufs lautere Nichts. Ebenso ist es mit aller Abgötterei bestellt. Denn sie besteht nicht bloß darin, dass man ein Bild aufrichtet und anbete, sondern vor allem in einem Herzen, welches anderswohin gafft und bei den Kreaturen, bei Heiligen oder Teufeln Hilfe und Trost sucht: es kümmert sich nicht um Gott und verspricht sich von ihm nicht soviel Gutes, dass er helfen wolle; es glaubt auch nicht, dass das von Gott komme, was ihm Gutes widerfährt.

Wer sich durch eigene Werke den Himmel verdienen und mit Gott ins Geschäft kommen will, macht aus Gott einen Götzen und sich selber zum Gott.
Außerdem gibt es auch einen falschen Gottesdienst und [zwar ist das] die höchste Abgötterei, die wir bisher getrieben haben und die noch immer in der Welt regiert; darauf sind auch alle geistlichen Stände gegründet. Sie betrifft allein das Gewissen, das da in eigenen Werken Hilfe, Trost und Seligkeit sucht und Gott den Himmel abzuzwingen sich vermisst. Und es berechnet, wie viel es gestiftet, gefastet, Messe gehalten hat usw., verlässt sich darauf und pocht darauf, als wolle es nichts von Gott geschenkt nehmen, sondern alles selbst erwerben oder mit überschüssigen [guten] Werken verdienen, gerade als müsste er in unserem Dienste stehen und unser Schuldner, wir aber seine Lehensherrn sein. Was heißt das anderes, als aus Gott einen Götzen, ja einen Apfelgott machen und sich selbst für Gott halten und aufwerfen? Aber das ist ein wenig zu scharfsinnig und gehört nicht vor die jungen Schüler.

»Gott« ist von »gut« abzuleiten, denn sein Wesen ist die Güte und alles Gute kommt von ihm.
Das sei aber den einfachen Menschen gesagt, damit sie den Sinn dieses Gebots wohl in acht nehmen und behalten: man soll allein Gott (Deo soli) vertrauen und nur Gutes sich von ihm versprechen und von ihm erwarten. Denn er ist's, der uns Leib, Leben, Essen, Trinken, Nahrung, Gesundheit, Schutz, Frieden und alles Nötige an zeitlichen und ewigen Gütern gibt; dazu bewahrt er vor Unglück und errettet und hilft heraus, falls uns etwas widerfährt. So ist also Gott, wie nun genug gesagt, allein der, von dem man alles Gute empfängt und durch den man alles Unglück los wird. Das ist auch meines Erachtens der Grund, dass wir Deutschen »Gott« mit eben diesem Namen von altersher nennen – feiner und treffender als irgend eine andere Sprache – nach dem Wörtlein »gut«, weil er ein ewiger Quellbrunnen ist, der von lauter Güte überfließt und von dem alles, was gut ist und gut heißt, ausfließt.

Die Drohung und die Verheißung, des ersten Gebots (oder Gesetz und Evangelium)
Damit man deshalb sehe, dass Gott das nicht in den Wind geschlagen haben will, sondern ernstlich darüber zu wachen gewillt ist, hat er zu diesem Gebot zuerst eine schreckliche Drohung, darnach eine schöne, tröstliche Verheißung dazugesetzt; das soll man auch recht einüben und dem jungen Volk einbleuen, dass sie es zu Herzen nehmen und behalten:
Ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der an denen, die mich hassen, die Sünde der Väter heimsucht bis zu den Kindern im dritten und vierten Glied, aber denen, die mich lieben und meine Gebote halten, tue ich wohl bis in tausend Glied.

Diese Drohung und Verheißung gilt für das erste und Hauptgebot, aber auch für alle anderen Gebote: Gott zürnt denen, die sich auf Götzen verlassen, er ist gnädig denen, die ihm unbedingt vertrauen.
Obwohl indessen diese Worte sich, wie wir nachher hören werden, auf alle Gebote beziehen, so sind sie doch gerade zu diesem Hauptgebot gesetzt. Kommt es doch am meisten darauf an, dass der Mensch ein rechtes Haupt hat; denn wo das Haupt recht geht, da muss auch das ganze Leben recht gehen, und umgekehrt. So lerne nun aus diesen Worten, wie zornig Gott über die ist, die sich auf irgend etwas außer ihm verlassen; [und] umgekehrt, wie gütig und gnädig er denen ist, die ihm allein von ganzem Herzen vertrauen und glauben: der Zorn lässt nicht nach bis ins vierte Geschlecht oder Glied, die Wohltat oder Güte dagegen wirkt sich auf viele tausend aus.

Das Gute, das Menschen tun, empfangen wir nicht von ihnen, sondern durch sie von Gott.
Denn mag uns auch sonst viel Gutes von Menschen widerfahren, so gilt doch alles als von Gott empfangen, was man auf seinen Befehl und seine Anordnung hin empfängt. Unsere Eltern und alle Obrigkeit, ferner jedermann seinem Nächsten gegenüber, haben ja den Befehl, dass sie uns Gutes aller Art tun sollen. Wir empfangen es also nicht von ihnen, sondern durch sie von Gott. Denn die Kreaturen sind nur die Hand, das Rohr und das Mittel, wodurch Gott alles gibt, wie er der Mutter Brüste Milch gibt, um sie dem Kinde zu reichen, und wie er Korn und Gewächs aller Art aus der Erde zur Nahrung gibt: lauter Güter, deren keines eine Kreatur selbst machen kann. Deshalb soll sich kein Mensch unterstehen, etwas zu nehmen oder zu geben, wenn es nicht von Gott befohlen ist; denn man soll's als seine Gaben erkennen und ihm dafür danken, wie es dieses Gebot fordert. Darum soll man auch diese Mittel, [durch die wir] durch die Kreaturen Gutes empfangen, nicht ausschlagen noch in Vermessenheit andere Weisen und Wege suchen, als Gott befohlen hat. Denn das hieße nicht von Gott empfangen, sondern von sich selbst aus gesucht.

Erforsche dein Herz, ob es allein an Gott hängt!
Da sehe nun jeder bei sich selbst darauf, dass man dieses Gebot mehr als alle Dinge groß und hoch achte und nicht als einen Scherz behandle. Befrage und erforsche dein eigenes Herz genau; dann wirst du wohl finden, ob es allein an Gott (ex solo Deo) hängt oder nicht. Hast du ein solches Herz, das imstande ist, nur Gutes von ihm zu erwarten, besonders in Nöten und bei Mangel, [und] dazu alles gehen und fahren zu lassen, was nicht Gott ist, – dann hast du den einen rechten Gott. Umgekehrt, hängt das Herz an etwas anderem, von dem es als Trost sich mehr Gutes und Hilfe verspricht als von Gott, und läuft es, wenn es ihm übel geht, nicht zu ihm hin, sondern flieht vor ihm, – dann hast du einen andern, [einen] Abgott.

Diese Drohung hat Gott in der Geschichte wahr gemacht durch sein unerbittliches Gericht über alle Abgötterei.
Man darf daher nicht so sicher hingehen und sich in Gefahr begeben, wie die rohen Herzen denken, es liege nicht viel daran. Er ist ein solcher Gott, der es nicht ungerächt lässt, wenn man sich von ihm abwendet, und der nicht aufhört zu zürnen bis ins vierte Glied, so lange, bis sie durch und durch ausgerottet werden. darum will er gefürchtet und nicht verachtet sein. Das hat er auch bei allen Historien und Geschichten bewiesen, wie uns das die [Hl.] Schrift reichlich bezeugt, und wie es noch die tägliche Erfahrung lehren kann. Denn er hat von Anfang an alle Abgötterei, und um ihretwillen sowohl Heiden als Juden ganz ausgerottet.

Die furchtbare Realität seines Zornes werden auch heute alle erfahren, die gegen Gott auftrotzen.
Ebenso stürzt er auch heutigentages allen falschen Gottesdienst, so dass schlussendlich alle, die darin verharren, untergehen müssen. [Es mag] darum [sein], dass man gleich jetzt stolze, gewaltige und reiche Wänste findet, die auf ihren Mammon trotzen, ohne darnach zu fragen, ob Gott zürne oder lache, als könnten sie sich wohl getrauen, seinen Zorn auszuhalten. Aber sie werden es doch nicht ausführen, sondern werden, ehe man sich's versieht, zum Scheitern kommen mit allem, worauf sie getraut haben; wie alle andern untergegangen sind, die sich wohl [noch] sicherer und mächtiger gefühlt haben.

Drohung und Zorn sind notwendig wegen der menschlichen Selbstsicherheit und Vermessenheit.
Und eben um solcher harten Köpfe willen, die meinen, weil [Gott] zusehe und sie so fest auf ihrem Sitze lasse, so wisse er nichts davon oder kümmere sich nicht darum, [um ihretwillen] muss er derartig dreinschlagen und strafen, dass er's nicht vergessen kann bis auf ihre Kindeskinder, damit jedermann daran stutzig werde und daraus sehe, dass es ihm kein Scherz ist. Denn diese sind's auch, die er meint, wenn er sagt: »Die mich hassen«. Das sind die, die auf ihrem Trotz und Stolz beharren: was man ihnen predigt oder sagt, wollen sie nicht hören; tadelt man sie, damit sie zur Selbsterkenntnis kommen und sich bessern, ehe die Strafe angeht, dann werden sie toll und töricht, damit sie den Zorn redlich verdienen. Diese Erfahrung machen wir auch jetzt täglich bei Bischöfen und Fürsten.

Stärker ist der Trost: Gott macht die Verheißung seiner ewigen Gnade wahr an denen, die ihm unbedingt vertrauen.
So schrecklich aber diese Drohworte sind, – ein viel mächtigerer Trost liegt in der Verheißung, dass die, die sich allein an Gott halten, dessen gewiss sein sollen, dass er Barmherzigkeit an ihnen erzeigen will; d.h. [er will] lauter Gutes und Wohltat beweisen, nicht bloß an ihnen, sondern auch an ihren Kindern bis ins tausendste und abermals tausendste Geschlecht. Das sollt uns wahrlich dazu bewegen und antreiben, uns von Herzen auf Gott zu verlassen mit aller Zuversicht, wenn anders wir begehren, alles Gute in Zeit und Ewigkeit zu haben; kommt doch die hohe Majestät uns so sehr entgegen, ermuntert uns so herzlich und gibt uns so reiche Verheißungen.

Doch der Augenschein scheint der Verheißung des ewigen Segens und Glücks zu widersprechen.
Darum lasse sich das jeder ernstlich zu Herzen gehen, dass man's nicht so ansehe, als hätte es [nur] ein Mensch gesagt. Denn es trägt dir entweder ewigen Segen, Glück und Seligkeit, oder ewigen Zorn, Unglück und Herzeleid ein. Was willst du mehr haben oder begehren, als dass er dir so freundlich verheißt, er wolle Dein sein mit allem Guten, dich schützen und dir helfen in allen Nöten? Der Fehler liegt nur leider daran, dass die Welt nichts davon glaubt und es nicht für Gottes Wort hält. Sie sieht nämlich: diejenigen Menschen, die Gott und nicht dem Mammon vertrauen, haben Kummer und Not zu leiden, und der Teufel widersetzt sich ihnen und hindert sie, so dass sie weder Geld noch Beliebtheit noch Ehre, dazu kaum das Leben behalten. Umgekehrt, diejenigen, die dem Mammon dienen, haben Gewalt, Beliebtheit, Ehre, Gut und Sicherheit vor der Welt. Deshalb muss man begreifen, dass jene Worte eben gegen diesen Augenschein gerichtet sind, und muss wissen, dass sie nicht lügen und trügen, sondern wahr werden müssen.

Die Verheißung wird trotzdem gegen den Augenschein recht behalten.
Denke du selbst zurück, oder frage darnach und sage mir [dann]: Was haben die, die alle ihre Sorge und ihren Fleiß darauf verwandt haben, viel Gut und Geld zusammenzuscharren, schließlich erreicht? Du wirst [dann] finden, dass sie Mühe und Arbeit verloren haben; oder wenn sie auch große Schätze zusammmengebracht haben, [so ist es] doch zerstoben und verflogen, so dass sie selber ihres Gutes nie froh geworden sind, und dass es nach ihnen nicht bis auf die dritten Erben gekommen ist. Beispiele [hierfür] wirst du genug finden in allen Historien, auch von alten, erfahrenen Leuten; sieh sie dir nur an und gib acht darauf. Saul war ein großer König, von Gott erwählt, und ein frommer Mann, aber als er fest auf dem Throne saß und sein Herz Niedrigerem zuwandte und sich an seine Krone und seine Gewalt hängte, da musste er untergehen mit allem, was er hatte, so dass auch von seinen Kindern keines am Leben blieb. Umgekehrt, David war ein armer, verachteter Mann, verjagt und gescheucht, so dass er seines Lebens nirgends sicher war; dennoch musste er vor Saul [bewahrt] bleiben und König werden. Denn obige Wort mussten in Geltung bleiben und sich bewahrheiten, weil Gott nicht lügen noch trügen kann. Überlass es nur dem Teufel und der Welt, [dich] mit ihrem Schein zu betrügen, der wohl eine Zeitlang währt, aber am Ende nichts ist.

Im ersten Gebot fordert Gott von uns nicht mehr, als dass wir alles Gute von ihm erwarten. Wird dieses Hauptgebot erfüllt, dann erfüllen sich alle anderen Gebote von selbst.
Darum lasset uns das erste Gebot gut lernen, damit wir sehen, wie Gott keine Vermessenheit und kein Vertrauen auf irgendein anderes Ding dulden will und nichts Höheres von uns fordert, als eine herzliche Zuversicht, [die] alles Gute [von ihm erwartet]. Wir sollen richtig und stracks unseres Weges gehen und von allen Gütern, die Gott gibt, keinen weiteren Gebrauch machen, als wie ein Schuster seine Nadel, Ahle und Draht zur Arbeit gebraucht und sie nachher weglegt, oder wie ein Gast die Herberge, die Verpflegung und das Lager nur für die zeitweiligen Bedürfnisse [benützt]. [So halte es] jeder in seinem Stand nach Gottes Ordnung und lasse nur nichts davon seinen Herrn oder Abgott sein.

Das sei genug vom ersten Gebot. Wir haben es deshalb so ausführlich besprechen müssen, weil es darauf am allermeisten ankommt; denn, wie vorhin gesagt, wo das Herz mit Gott im reinen ist und dieses Gebot gehalten wir, da folgt die Erfüllung aller andern von sich selbst.

(Aus dem Großen Katechismus von 1529)

ZUM GEBURTSTAG DES THEOLOGEN

Über den Autor (1483-1546)

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