Einen Gott haben bedeutet, etwas haben, an das ich mein Herz hänge und dem ich unbedingt vertraue.
Das heißt: Du sollst mich allein für deinen Gott halten. Was
ist damit gesagt und wie ist es zu verstehen? Was heißt »einen Gott
haben«, bzw. was ist Gott? Antwort: Ein »Gott« heißt etwas, von dem man
alles Gute erhoffen und zu dem man in allen Nöten seine Zuflucht nehmen
soll. »Einen Gott haben« heißt also nichts anderes, als ihm von Herzen
vertrauen und glauben; wie ich oft gesagt habe, dass allein das
Vertrauen und Glauben des Herzens etwas sowohl zu einem Gott als zu
einem Abgott macht. Ist der Glaube und das Vertrauen recht, so ist auch
dein Gott recht, und umgekehrt, wo das Vertrauen falsch und unrecht ist,
da ist auch der rechte Gott nicht. Denn die zwei gehören zuhauf
(zusammen), Glaube und Gott. Woran du nun, sage ich, dein Herz hängst
und [worauf du dich] verlässest, das ist eigentlich dein Gott.
Der Sinn des ersten Gebotes: Häng dein Herz allein an Gott und nicht an andere Götter!
Darum ist nun der Sinn dieses Gebotes der, dass es rechten
Glauben und Zuversicht des Herzens fordert, welche sich auf den rechten,
einzigen Gott richtet und an ihm allein hängt. Und zwar will es soviel
gesagt haben: »Sieh zu und lasse mich allein deinen Gott sein (ego solus
Deus) und suche ja keinen andern.« Das heißt: was dir mangelt an Gutem,
das erhoffe von mir und suche bei mir, und wenn du Unglück und Not zu
leiden hast, so kriech und halt dich zu mir. Ich, ich will dir genug
geben und aus aller Not helfen; lass nur dein Herz an keinem andern
hangen noch ruhn.
Konkret heißt das: Häng dein Herz nicht an den Gott Geld und Gut, sondern an den wahren Gott!
Das muss ich noch ein wenig deutlicher ausführen, dass man's
aus alltäglichen Beispielen von gegenteiligem Verhalten verstehe und
erkenne. Es ist mancher, der meint, er habe Gott und alles zur Genüge,
wenn er Geld und Gut hat; er verlässt sich darauf und brüstet sich damit
so steif und sicher, dass er auf niemand etwas gibt. Sieh, ein solcher
hat auch einen Gott: der heißt Mammon, d.h. Geld und Gut; darauf setzt
er sein ganzes Herz. Das ist ja auch der allgemeinste Abgott auf Erden.
Wer Geld und Gut hat, der weiß sich in Sicherheit, ist fröhlich und
unerschrocken, als sitze er mitten im Paradies; und umgekehrt, wer keins
hat, der zweifelt und verzagt, als wisse er von keinem Gott. Denn man
wird ja ganz wenig Leute finden, die guten Mutes sind und weder trauern
noch klagen, wenn sie den Mammon nicht haben; das klebt und hängt der
[menschlichen] Natur an bis in die Grube.
Häng dein Herz nicht an den Gott Wissen, Macht und Einfluss, sondern an den wahren Gott!
Ebenso ist`s auch [mit einem], der darauf vertraut und trotzt,
dass er großes Wissen, Klugheit, Gewalt, Beliebtheit, Freundschaft und
Ehre hat. Der hat auch einen Gott, aber nicht diesen rechten, alleinigen
Gott. Das siehst du abermals daran, wie vermessen, sicher und stolz man
auf Grund solcher Güter ist, und wie verzagt, wenn sie nicht vorhanden
sind oder einem entzogen werden. Darum sage ich noch einmal, dass die
rechte Auslegung dieses Stückes das ist: »einen Gott haben« heißt etwas
haben, worauf das Herz gänzlich vertraut.
Wer sein Herz an die Heiligen und an den Teufel hängt, glaubt nicht an den wahren Gott.
Sieh ebenso auf das, was wir bisher in der Blindheit unter dem
Papsttum getrieben und getan haben: Wenn jemandem ein Zahn weh tat, so
fastete er und verehrte die hl. Apollonia, fürchtete sich vor einer
Feuersnot, so machte er den hl. Lorenz zum Nothelfer; flüchtete er sich
vor der Pest, so geschah noch unzählig viel mehr, da jeder seinen
Heiligen auswählte, anbetete und anrief, ihm in [seinen] Nöten zu
helfen. Hierher gehören auch die, die es gar zu grob treiben und mit dem
Teufel einen Bund machen, das er ihnen Geld genug gebe oder ihn zu
ihrer Buhlschaft (Liebschaft) verhelfe, ihr Vieh bewahre, verlorenes Gut
wiederbeschaffe usw., wie z.B. die Zauberer und Schwarzkünstler. Diese
alle richten ja ihr Herz und ihr Vertrauen anderswohin als auf den
wahrhaftigen Gott; sie erwarten nichts Gutes von ihm, suchen´s aber auch
nicht bei ihm.
Der unfassliche Gott wird fassbar, wenn sich unser Herz an ihn hängt und ihm unbedingt vertraut.
So verstehst du nun leicht, was und wieviel dieses Gebot
fordert: nämlich das ganze Herz des Menschen und alle Zuversicht allein
auf Gott und niemanden anderes. Denn das kannst du dem leicht entnehmen,
wenn man Gott haben will, kann man ihn nicht mit den Fingern greifen
und fassen und nicht in den Beutel stecken oder in den Kasten schließen.
Vielmehr heißt
das ihn fassen, wenn das Herz ihn ergreift und an ihm
hängt; mit dem ganzen Herzen aber an ihm hängen ist nichts anderes als
sich gänzlich auf ihn verlassen
Gott will uns alles Gute schenken, das wir von anderen Göttern erwarten, der er der einzige und bleibende Gott ist.
Darum will er uns von allem andern, was außer ihm ist, abwenden
und uns zu sich ziehen, weil er das einzige, ewige Gut ist. Es ist, als
wollte er sagen: Was du vorher bei den Heiligen gesucht oder wofür du
auf den Mammon und sonst etwas vertraut hast, das erwarte alles von mir,
und halte mich für den, der dir helfen und dich mit allem Guten
reichlich überschütten will. Sieh, damit hast du nun, was die rechte
Ehrung Gottes und der rechte Gottesdienst ist, der Gott gefällt und den
er auch bei seinem ewigen Zorn gebietet, nämlich: Das Herz soll sonst
keinen Trost und keine Zuversicht kennen als zu ihm; es darf sich auch
nicht davon wegreißen lassen, sondern muss darüber alles wagen und
hintansetzen, was es auf Erden gibt.
Die Menschen verwechseln ihre Wunschvorstellungen von Gott
mit Gott. Ihr Vertrauen ist fehlgeleitet und gründet auf dem reinen
Nichts.
Demgegenüber wirst du leicht einsehen und beurteilen, wie die
Welt lauter falschen Gottesdienst und Abgötterei treibt; denn es ist nie
ein Volk, so ruchlos gewesen, dass es nicht einen Gottesdienst
eingerichtet und gehalten hätte. Da hat jedermann den zu seinem
besonderen Gott aufgeworfen, von dem er sich Gutes, Hilfe und Trost
versprochen hat. So warfen z.B. diejenigen Heiden, die ihr Vertrauen auf
Gewalt und Herrschaft setzten, ihren Jupiter zum höchsten Könige auf;
die andern, die nach Reichtum, nach Glück oder nach Lust und guten Tagen
trachteten, den Herkules, den Merkur, die Venus oder andere; die
schwangeren Frauen die Diana oder Luciana und so fort, es machte sich
jedermann das zum Gott, wohin ihn sein Herz zog. So heißt also
eigentlich, auch nach aller Heiden Meinung; »einen Gott haben« soviel
wie vertrauen und glauben. Der Fehler liegt aber daran, dass ihr
Vertrauen falsch und unrecht ist; denn es ist nicht auf den einzigen
Gott gerichtet, außer dem es wahrhaftig keinen Gott gibt weder im Himmel
noch auf Erden. Deshalb machen die Heiden eigentlich ihr
selbsterdachtes Wahn- und Traumbild von Gott zum Abgott und verlassen
sich aufs lautere Nichts. Ebenso ist es mit aller Abgötterei bestellt.
Denn sie besteht nicht bloß darin, dass man ein Bild aufrichtet und
anbete, sondern vor allem in einem Herzen, welches anderswohin gafft und
bei den Kreaturen, bei Heiligen oder Teufeln Hilfe und Trost sucht: es
kümmert sich nicht um Gott und verspricht sich von ihm nicht soviel
Gutes, dass er helfen wolle; es glaubt auch nicht, dass das von Gott
komme, was ihm Gutes widerfährt.
Wer sich durch eigene Werke den Himmel verdienen und mit Gott
ins Geschäft kommen will, macht aus Gott einen Götzen und sich selber
zum Gott.
Außerdem gibt es auch einen falschen Gottesdienst und [zwar ist
das] die höchste Abgötterei, die wir bisher getrieben haben und die
noch immer in der Welt regiert; darauf sind auch alle geistlichen Stände
gegründet. Sie betrifft allein das Gewissen, das da in eigenen Werken
Hilfe, Trost und Seligkeit sucht und Gott den Himmel abzuzwingen sich
vermisst. Und es berechnet, wie viel es gestiftet, gefastet, Messe
gehalten hat usw., verlässt sich darauf und pocht darauf, als wolle es
nichts von Gott geschenkt nehmen, sondern alles selbst erwerben oder mit
überschüssigen [guten] Werken verdienen, gerade als müsste er in
unserem Dienste stehen und unser Schuldner, wir aber seine Lehensherrn
sein. Was heißt das anderes, als aus Gott einen Götzen, ja einen
Apfelgott machen und sich selbst für Gott halten und aufwerfen? Aber das
ist ein wenig zu scharfsinnig und gehört nicht vor die jungen Schüler.
»Gott« ist von »gut« abzuleiten, denn sein Wesen ist die Güte und alles Gute kommt von ihm.
Das sei aber den einfachen Menschen gesagt, damit sie den Sinn
dieses Gebots wohl in acht nehmen und behalten: man soll allein Gott
(Deo soli) vertrauen und nur Gutes sich von ihm versprechen und von ihm
erwarten. Denn er ist's, der uns Leib, Leben, Essen, Trinken, Nahrung,
Gesundheit, Schutz, Frieden und alles Nötige an zeitlichen und ewigen
Gütern gibt; dazu bewahrt er vor Unglück und errettet und hilft heraus,
falls uns etwas widerfährt. So ist also Gott, wie nun genug gesagt,
allein der, von dem man alles Gute empfängt und durch den man alles
Unglück los wird. Das ist auch meines Erachtens der Grund, dass wir
Deutschen »Gott« mit eben diesem Namen von altersher nennen – feiner und
treffender als irgend eine andere Sprache – nach dem Wörtlein »gut«,
weil er ein ewiger Quellbrunnen ist, der von lauter Güte überfließt und
von dem alles, was gut ist und gut heißt, ausfließt.
Die Drohung und die Verheißung, des ersten Gebots (oder Gesetz und Evangelium)
Damit man deshalb sehe, dass Gott das nicht in den Wind
geschlagen haben will, sondern ernstlich darüber zu wachen gewillt ist,
hat er zu diesem Gebot zuerst eine schreckliche Drohung, darnach eine
schöne, tröstliche Verheißung dazugesetzt; das soll man auch recht
einüben und dem jungen Volk einbleuen, dass sie es zu Herzen nehmen und
behalten:
Ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der an denen,
die mich hassen, die Sünde der Väter heimsucht bis zu den Kindern im
dritten und vierten Glied, aber denen, die mich lieben und meine Gebote
halten, tue ich wohl bis in tausend Glied.
Diese Drohung und Verheißung gilt für das erste und
Hauptgebot, aber auch für alle anderen Gebote: Gott zürnt denen, die
sich auf Götzen verlassen, er ist gnädig denen, die ihm unbedingt
vertrauen.
Obwohl indessen diese Worte sich, wie wir nachher hören werden,
auf alle Gebote beziehen, so sind sie doch gerade zu diesem Hauptgebot
gesetzt. Kommt es doch am meisten darauf an, dass der Mensch ein rechtes
Haupt hat; denn wo das Haupt recht geht, da muss auch das ganze Leben
recht gehen, und umgekehrt. So lerne nun aus diesen Worten, wie zornig
Gott über die ist, die sich auf irgend etwas außer ihm verlassen; [und]
umgekehrt, wie gütig und gnädig er denen ist, die ihm allein von ganzem
Herzen vertrauen und glauben: der Zorn lässt nicht nach bis ins vierte
Geschlecht oder Glied, die Wohltat oder Güte dagegen wirkt sich auf
viele tausend aus.
Das Gute, das Menschen tun, empfangen wir nicht von ihnen, sondern durch sie von Gott.
Denn mag uns auch sonst viel Gutes von Menschen widerfahren, so
gilt doch alles als von Gott empfangen, was man auf seinen Befehl und
seine Anordnung hin empfängt. Unsere Eltern und alle Obrigkeit, ferner
jedermann seinem Nächsten gegenüber, haben ja den Befehl, dass sie uns
Gutes aller Art tun sollen. Wir empfangen es also nicht von ihnen,
sondern durch sie von Gott. Denn die Kreaturen sind nur die Hand, das
Rohr und das Mittel, wodurch Gott alles gibt, wie er der Mutter Brüste
Milch gibt, um sie dem Kinde zu reichen, und wie er Korn und Gewächs
aller Art aus der Erde zur Nahrung gibt: lauter Güter, deren keines eine
Kreatur selbst machen kann. Deshalb soll sich kein Mensch unterstehen,
etwas zu nehmen oder zu geben, wenn es nicht von Gott befohlen ist; denn
man soll's als seine Gaben erkennen und ihm dafür danken, wie es dieses
Gebot fordert. Darum soll man auch diese Mittel, [durch die wir] durch
die Kreaturen Gutes empfangen, nicht ausschlagen noch in Vermessenheit
andere Weisen und Wege suchen, als Gott befohlen hat. Denn das hieße
nicht von Gott empfangen, sondern von sich selbst aus gesucht.
Erforsche dein Herz, ob es allein an Gott hängt!
Da sehe nun jeder bei sich selbst darauf, dass man dieses Gebot
mehr als alle Dinge groß und hoch achte und nicht als einen Scherz
behandle. Befrage und erforsche dein eigenes Herz genau; dann wirst du
wohl finden, ob es allein an Gott (ex solo Deo) hängt oder nicht. Hast
du ein solches Herz, das imstande ist, nur Gutes von ihm zu erwarten,
besonders in Nöten und bei Mangel, [und] dazu alles gehen und fahren zu
lassen, was nicht Gott ist, – dann hast du den einen rechten Gott.
Umgekehrt, hängt das Herz an etwas anderem, von dem es als Trost sich
mehr Gutes und Hilfe verspricht als von Gott, und läuft es, wenn es ihm
übel geht, nicht zu ihm hin, sondern flieht vor ihm, – dann hast du
einen andern, [einen] Abgott.
Diese Drohung hat Gott in der Geschichte wahr gemacht durch sein unerbittliches Gericht über alle Abgötterei.
Man darf daher nicht so sicher hingehen und sich in Gefahr
begeben, wie die rohen Herzen denken, es liege nicht viel daran. Er ist
ein solcher Gott, der es nicht ungerächt lässt, wenn man sich von ihm
abwendet, und der nicht aufhört zu zürnen bis ins vierte Glied, so
lange, bis sie durch und durch ausgerottet werden. darum will er
gefürchtet und nicht verachtet sein. Das hat er auch bei allen Historien
und Geschichten bewiesen, wie uns das die [Hl.] Schrift reichlich
bezeugt, und wie es noch die tägliche Erfahrung lehren kann. Denn er hat
von Anfang an alle Abgötterei, und um ihretwillen sowohl Heiden als
Juden ganz ausgerottet.
Die furchtbare Realität seines Zornes werden auch heute alle erfahren, die gegen Gott auftrotzen.
Ebenso stürzt er auch heutigentages allen falschen
Gottesdienst, so dass schlussendlich alle, die darin verharren,
untergehen müssen. [Es mag] darum [sein], dass man gleich jetzt stolze,
gewaltige und reiche Wänste findet, die auf ihren Mammon trotzen, ohne
darnach zu fragen, ob Gott zürne oder lache, als könnten sie sich wohl
getrauen, seinen Zorn auszuhalten. Aber sie werden es doch nicht
ausführen, sondern werden, ehe man sich's versieht, zum Scheitern kommen
mit allem, worauf sie getraut haben; wie alle andern untergegangen
sind, die sich wohl [noch] sicherer und mächtiger gefühlt haben.
Drohung und Zorn sind notwendig wegen der menschlichen Selbstsicherheit und Vermessenheit.
Und eben um solcher harten Köpfe willen, die meinen, weil
[Gott] zusehe und sie so fest auf ihrem Sitze lasse, so wisse er nichts
davon oder kümmere sich nicht darum, [um ihretwillen] muss er derartig
dreinschlagen und strafen, dass er's nicht vergessen kann bis auf ihre
Kindeskinder, damit jedermann daran stutzig werde und daraus sehe, dass
es ihm kein Scherz ist. Denn diese sind's auch, die er meint, wenn er
sagt: »Die mich hassen«. Das sind die, die auf ihrem Trotz und Stolz
beharren: was man ihnen predigt oder sagt, wollen sie nicht hören;
tadelt man sie, damit sie zur Selbsterkenntnis kommen und sich bessern,
ehe die Strafe angeht, dann werden sie toll und töricht, damit sie den
Zorn redlich verdienen. Diese Erfahrung machen wir auch jetzt täglich
bei Bischöfen und Fürsten.
Stärker ist der Trost: Gott macht die Verheißung seiner ewigen Gnade wahr an denen, die ihm unbedingt vertrauen.
So schrecklich aber diese Drohworte sind, – ein viel
mächtigerer Trost liegt in der Verheißung, dass die, die sich allein an
Gott halten, dessen gewiss sein sollen, dass er Barmherzigkeit an ihnen
erzeigen will; d.h. [er will] lauter Gutes und Wohltat beweisen, nicht
bloß an ihnen, sondern auch an ihren Kindern bis ins tausendste und
abermals tausendste Geschlecht. Das sollt uns wahrlich dazu bewegen und
antreiben, uns von Herzen auf Gott zu verlassen mit aller Zuversicht,
wenn anders wir begehren, alles Gute in Zeit und Ewigkeit zu haben;
kommt doch die hohe Majestät uns so sehr entgegen, ermuntert uns so
herzlich und gibt uns so reiche Verheißungen.
Doch der Augenschein scheint der Verheißung des ewigen Segens und Glücks zu widersprechen.
Darum lasse sich das jeder ernstlich zu Herzen gehen, dass
man's nicht so ansehe, als hätte es [nur] ein Mensch gesagt. Denn es
trägt dir entweder ewigen Segen, Glück und Seligkeit, oder ewigen Zorn,
Unglück und Herzeleid ein. Was willst du mehr haben oder begehren, als
dass er dir so freundlich verheißt, er wolle Dein sein mit allem Guten,
dich schützen und dir helfen in allen Nöten? Der Fehler liegt nur leider
daran, dass die Welt nichts davon glaubt und es nicht für Gottes Wort
hält. Sie sieht nämlich: diejenigen Menschen, die Gott und nicht dem
Mammon vertrauen, haben Kummer und Not zu leiden, und der Teufel
widersetzt sich ihnen und hindert sie, so dass sie weder Geld noch
Beliebtheit noch Ehre, dazu kaum das Leben behalten. Umgekehrt,
diejenigen, die dem Mammon dienen, haben Gewalt, Beliebtheit, Ehre, Gut
und Sicherheit vor der Welt. Deshalb muss man begreifen, dass jene Worte
eben gegen diesen Augenschein gerichtet sind, und muss wissen, dass sie
nicht lügen und trügen, sondern wahr werden müssen.
Die Verheißung wird trotzdem gegen den Augenschein recht behalten.
Denke du selbst zurück, oder frage darnach und sage mir [dann]:
Was haben die, die alle ihre Sorge und ihren Fleiß darauf verwandt
haben, viel Gut und Geld zusammenzuscharren, schließlich erreicht? Du
wirst [dann] finden, dass sie Mühe und Arbeit verloren haben; oder wenn
sie auch große Schätze zusammmengebracht haben, [so ist es] doch
zerstoben und verflogen, so dass sie selber ihres Gutes nie froh
geworden sind, und dass es nach ihnen nicht bis auf die dritten Erben
gekommen ist. Beispiele [hierfür] wirst du genug finden in allen
Historien, auch von alten, erfahrenen Leuten; sieh sie dir nur an und
gib acht darauf. Saul war ein großer König, von Gott erwählt, und ein
frommer Mann, aber als er fest auf dem Throne saß und sein Herz
Niedrigerem zuwandte und sich an seine Krone und seine Gewalt hängte, da
musste er untergehen mit allem, was er hatte, so dass auch von seinen
Kindern keines am Leben blieb. Umgekehrt, David war ein armer,
verachteter Mann, verjagt und gescheucht, so dass er seines Lebens
nirgends sicher war; dennoch musste er vor Saul [bewahrt] bleiben und
König werden. Denn obige Wort mussten in Geltung bleiben und sich
bewahrheiten, weil Gott nicht lügen noch trügen kann. Überlass es nur
dem Teufel und der Welt, [dich] mit ihrem Schein zu betrügen, der wohl
eine Zeitlang währt, aber am Ende nichts ist.
Im ersten Gebot fordert Gott von uns nicht mehr, als dass wir
alles Gute von ihm erwarten. Wird dieses Hauptgebot erfüllt, dann
erfüllen sich alle anderen Gebote von selbst.
Darum lasset uns das erste Gebot gut lernen, damit wir sehen,
wie Gott keine Vermessenheit und kein Vertrauen auf irgendein anderes
Ding dulden will und nichts Höheres von uns fordert, als eine herzliche
Zuversicht, [die] alles Gute [von ihm erwartet]. Wir sollen richtig und
stracks unseres Weges gehen und von allen Gütern, die Gott gibt, keinen
weiteren Gebrauch machen, als wie ein Schuster seine Nadel, Ahle und
Draht zur Arbeit gebraucht und sie nachher weglegt, oder wie ein Gast
die Herberge, die Verpflegung und das Lager nur für die zeitweiligen
Bedürfnisse [benützt]. [So halte es] jeder in seinem Stand nach Gottes
Ordnung und lasse nur nichts davon seinen Herrn oder Abgott sein.
Das sei genug vom ersten Gebot. Wir haben es deshalb so
ausführlich besprechen müssen, weil es darauf am allermeisten ankommt;
denn, wie vorhin gesagt, wo das Herz mit Gott im reinen ist und dieses
Gebot gehalten wir, da folgt die Erfüllung aller andern von sich selbst.
(Aus dem Großen Katechismus von 1529)
ZUM GEBURTSTAG DES THEOLOGEN
Über den Autor (1483-1546)
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