Ich vergleiche
die ganze Philosophiam, Astrologiam und Theologiam samt ihrer Mutter einem
köstlichen Baum, der in einem schönen Lustgarten wächst.
Nun gibt die Erde, da der Baum
inne stehet, dem Baum immer Saft, davon der Baum seine lebendige Qualität
hat; der Baum aber in sich selbst wächst von dem Saft der Erden und
wird groß und breitet sich aus mit seinen Asten.
Nun, gleichwie die Erde mit ihrer
Kraft an dem Baum arbeitet, daß derselbe wachse und zunehme, also
arbeitet der Baum stets mit seinen Ästen aus ganzem Vermögen,
daß er möchte immer viel guter Früchte bringen.
Wenn aber der Baum wenig Früchte
bringet, dazu ganz klein, madig und wurmstichig, so ist die Schuld nicht
an des Baumes Willen, daß derselbe vorsätzlich begehre böse
Früchte zu tragen, dieweil er ein köstlicher Baum guter Qualität
ist, sondern die Schuld ist, daß oft große Kälte, Hitze,
Mehltau, Rauben und Ungeziefer auf ihn fällt; denn die Qualität
in der Tiefe, von den Sternen ausgeworfen, verderbet ihn, daß er
wenig guter Früchte bringet.
Nun hat aber der Baum diese Art
an sich, daß je größer und älter der Baum wird, je
süßere Frucht träget er. In seiner Jugend träget er
wenig Früchte, denn das macht die rauhe und wilde Art des Erdbodens
und überlei Feuchte in dem Baum. Und ob er gleich schön blühet,
so fallen doch im Gewächse seine Äpfel meistens ab, es sei denn
Sache, daß er gar in einem gutem Acker stehet.
Nun hat der Baum auch eine gute,
süße Qualität an sich, dagegen auch drei andere dem zuwider,
als bitter, sauer und herbe. Nun, wie der Baum ist, also werden auch seine
Früchte, bis sie die Sonne wirket und süße machet, daß
sie einen lieblichen Geschmack bekommen, und müssen seine Früchte
bestehen im Regen, Wind und Ungewitter.
Wenn aber der Baum alt wird, daß
seine Aste verdorren, daß der Saft nicht mehr in die Höhe kann,
so wachsen unten um den Stamm viel grüne Zweiglein aus, letztlich
auch auf der Wurzel, und verklären den alten Baum, wie er auch ein
schönes grünes Zweiglein und Bäumlein gewesen ist und nun
gar alt worden. Denn die Natur oder der Saft wehret sich, bis der Stamm
gar dürre wird. Dann wird er abgehauen und im Feuer verbrannt.
Nun merke, was ich mit diesem
Gleichnis angedeutet habe: Der Garten dieses Baums bedeutet die Welt, der
Acker die Natur, der Stamm des Baumes die Sterne, die Äste die Elementa,
die Früchte, so auf diesem Baume wachsen, bedeuten die Menschen, der
Saft in dem Baume bedeutet die klare Gottheit. Nun sind die Menschen aus
der Natur, Sternen und Elementen gemacht worden. Gott der Schöpfer
aber herrschet in allen, gleichwie der Saft in dem ganzen Baume.
Die Natur aber hat zwo Qualitäten
in sich bis in das Gerichte Gottes, eine liebliche, himmlische und heilige,
und eine grimmige, höllische und durstige.
Nun qualifizieret und arbeitet
die gute immer mit ganzem Fleiß, daß sie gute Früchte
bringe. Darinnen herrschet der Hl. Geist und gibt dazu Saft und Leben.
Die böse quillet und treibet auch mit ganzem Fleiße, daß
sie immer böse Früchte bringt. Dazu gibt ihr der Teufel Saft
und höllische Loh.
Nun dieses beides ist in dem
Baum der Natur, und die Menschen sind aus dem Baum gemacht und leben in
dieser Welt, in diesem Garten zwischen beiden in großer Gefahr, und
fällt auf sie bald Sonnenschein, bald Regen, Wind und Schnee.
Das ist, so der Mensch seinen
Geist erhebt in die Gottheit, so quillet und qualifizieret in ihm der Heilige
Geist und der höllische Saft.
Gleichwie der Apfel auf dem Baum
madig und wurmstichig wird, wenn Frost, Hitze und Mehltau auf ihn fällt,
und leicht abfällt und verdirbet, also auch der Mensch, wenn er läßt
den Teufel mit seinem Gift in ihm herrschen.
Nun gleichwie in der Natur Gutes
und Böses quillet, herrschet und ist, also auch im Menschen. Der Mensch
aber ist Gottes Kind, den er
aus dem besten Kern der Natur gemacht hat, zu herrschen in dem Guten und
zu überwinden das Böse. Ob ihm gleich das Böse anhanget,
gleichwie in der Natur das Böse am Guten hanget, so kann er doch das
Böse überwinden. So er seinen Geist in Gott erhebet, so quillet
in ihm der Heilige Geist und hilft ihm siegen.
Gleichwie die gute Qualität
in der Natur mächtig ist zu siegen über die böse, denn sie
ist und kommt aus Gott und der Heilige Geist
ist Herrscher darinnen, also auch ist die grimme Qualität mächtig
zu siegen in der boshaftigen Seelen; denn der Teufel ist ein mächtiger
Herrscher in der Grimmigkeit und ist ein ewiger Fürst derselben.
Der Mensch aber hat sich selbst
in die Grimmigkeit geworfen durch den Fall Adams und Hevas, daß ihm
das Böse anhänget, sonst
wäre sein Quell und Trieb allein in dem Guten. Nun aber ists in beiden
und heißet nun, wie St. Paulus saget: Wisset ihr nicht welchem ihr
euch begebet zu Knechten in Gehorsam, des Knecht seid ihr, dem ihr gehorsam
seid, entweder der Sünde zum Tode oder dem Gehorsam Gottes zur Gerechtigkeit
(Rom 6,16).
Weil aber der Mensch in beiden
den Trieb hat, so mag er greifen, zu welchem er will; denn er lebet in
dieser Welt zwischen beiden und sind beide Qualitäten Bös und
Gut in ihm, in welches der Mensch wallet, damit wird er angetan in heilige
oder höllische Kraft.
(Aus der Vorrede des 1612 entstandenen Werks)
ZUM TODESTAG DES THEOLOGEN
Über den Autor (1575-1624)
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