Die Gesamtheit reicht sich in Treue die Hände und trägt stolz, und ohne Klage, unter Siegesklängen den Verlust.
Der Einzelne, dem der Krieg das liebste
Menschengut gemordet hat, würgt in der Stille die Thränen hinunter; der
Jammer kriecht wie der Schatten hinter den Mauern. Das Licht der
Öffentlichkeit kann und soll ihn nicht sehen; denn die Gesundheit des
Ganzen will es so.
Aber die große Rechnung des Krieges ist mit
allem dem nicht beglichen. Das grausame Ende kommt schleichend, langsam,
sicher nach, in Zeiten, in denen der Quell des Leides nur mehr langsam
rinnt.
Dieses Furchtbare ist der Zufall des Einzeltodes,
der mit jeder tötlichen Kugel das spätere Geschick des Volkes unerbittlich bestimmt und verschiebt. Im Kriege sind wir
alle gleich. Aber unter tausend Braven trifft eine Kugel einen Unersetzlichen. Mit seinem Tode wird der Kultur eines Volkes eine Hand abgeschlagen, ein Auge blind gemacht.
Wie viele und schreckliche
Verstümmelungen mag dieser grausame Krieg unserer zukünftigen Kultur
gebracht haben! Wie mancher junge Geist mag gemordet sein, den wir nicht
kannten und der unsre Zukunft in sich trug.
Und manchen kannten wir gut, ach nur zu gut!
August Macke, der »junge Macke« ist tot.
Wer sich in diesen letzten, ereignisvollen Jahren
um die neue deutsche Kunst gesorgt hat, wer etwas von unsrer
künstlerischen Zukunft ahnte, der kannte Macke. Und die, ihn kannten viele, mit ihm arbeiteten, wir, seine Freunde, wir wußten, welche
heimliche Zukunft dieser geniale Mensch in sich trug. Mit seinem Tode
knickt eine der schönsten und kühnsten Kurven unsrer deutschen
künstlerischen Entwicklung ab; keiner von uns ist im Stande,
sie fortzuführen. Jeder zieht seine eigene Bahn; und wo wir uns begegnen
werden, wird er immer fehlen.
Wir Maler wissen gut, daß mit seinem Wegscheiden, dem Ausscheiden seiner Harmonien die Farbe
in der deutschen Kunst um mehrere Tonfolgen verblassen muß
und einen stumpferen, trockeneren Klang bekommen wird. Er hat vor
uns allen der Farbe den hellsten und reinsten
Klang gegeben, so klar und hell als sein ganzes Wesen war.
Gewiß ahnt das Deutschland von heute noch nicht, was alles es diesem
jungen, toten Maler schon verdankt, wieviel er gewirkt und wieviel ihm
geglückt ist. Alles was seine geschickten Hände anfaßten und dem
er nahe kam, wurde lebendig, jede Materie und am meisten die
Menschen, die er magisch in den Bann seiner Ideen zog. Wie viel
verdanken wir Maler selbst in Deutschland ihm! Was er nach außen
gesät, wird noch Frucht tragen, und wir als seine Freunde wollen sorgen,
daß sie nicht heimlich bleibt.
Aber sein Werk ist abgebrochen, trostlos,
ohne Wiederkehr. Der gierige Krieg ist um einen Heldentod reicher, aber
die deutsche Kunst ist um einen Helden ärmer geworden.
(Geschrieben im Oktober 1914)
ZUM GEBURTSTAG DES MALERS
Über den Autor (1880-1916)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen