Freitag, 26. September 2014

Georg Simmel: Schulpädagogik

Es gibt kaum einen jungen Menschen von 17 Jahren, der alles philosophische Interesse von sich ablehnte, auch wenn er zu der eigentlichen Fachphilosophie keinerlei Verhältnis gewinnen kann. Es ist unvermeidlich, dass der geistige Wachstumsprozess dieser Jahre, mit seinem funktionellen sehnsüchtigen Streben ins Weite, Ungemessene, Ungewisse, sich in dem Interesse an substantiellen Vorstellungen von Sinn und Art des Ganzen von Welt und Leben niederschlüge. Der Schüler, bei dem das absolut nicht der Fall ist, gehört mindestens nicht ins Gymnasium. Obgleich ich also das Vortragen von philosophischen Systemen für ungeeignet halte, suche der Lehrer doch stets die Gelegenheit, die einzelnen Erkenntnisse und Probleme in die Tiefe und Allgemeinheit zu verfolgen, den philosophischen Weg zu gehen, wenn auch nicht zu einem dogmatischen Ziele, die Richtungen zu zeigen, in die das philosophische Senkblei, von der Oberfläche weg, ausgeworfen werden kann. Das Wort Philosophie braucht dabei gar nicht zu fallen.

(Aus dem Kapitel "Vom deutschen Aufsatz" der 1915/16 in Straßburg gehaltenen Vorlesungen)

ZUM TODESTAG DES SOZIOLOGEN

Über den Autor (1858-1918)

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