Unter
›Darstellung‹ verstehe ich
eine besondere Kunstform der Prosa-Erzählung mit eigentümlichem Ziel und
mit besondern Stilgesetzen, welche diesem Ziel als Mittel dienen. Das
Ziel heißt: denkbar innigstes Miterleben der Handlung. Die Mittel dazu
lauten: Einheit der Person, Einheit der Perspektive, Stetigkeit des
zeitlichen Fortschrittes. Also diejenigen
Gesetze, unter welchen wir in
der Wirklichkeit leben.
Mit erläuternden Worten: Die Hauptperson wird
gleich mit dem ersten Satz eingeführt und hinfort nie mehr verlassen. Es
wird ferner nur mitgeteilt, was jene wahrnimmt, und das so mitgeteilt,
wie es sich in ihrer Wahrnehmung spiegelt. Endlich wird die Handlung
lebensgetreu Stunde für Stunde begleitet, so daß der Erzähler sich nicht
gestattet, irgendeinen Zeitabschnitt als angeblich unwichtig zu
überspringen. Aus dem letzten Gesetz ergibt sich wiederum die
Notwendigkeit, die Handlung binnen wenigen Stunden verlaufen zu lassen.
Selbstverständlich eignet sich nicht jeder Stoff
zur ›Darstellung‹, im Gegenteil, von Fragmenten abgesehen und Irrtum
vorbehalten, bloß eine einzige Gattung von Stoffen, nämlich die
gedrängten und geschlossenen (›dramatischen‹). Ja sogar unter ihnen nur
solche, die es erlauben, auf ungezwungene Weise sämtliche wichtigen
Motive unmittelbar vor der Entscheidung vorzuführen. Der Faden wird dann
kurz vor der Entscheidung angefaßt und nach dem Willen der Wahrheit
gesponnen. Erweist sich bei dunklen (›tragischen‹) Stoffen mit großer
Personenzahl nach dem Tode der Hauptperson noch ein abschließender
Anhang als notwendig, um die Handlung von allen Seiten ausklingen zu
lassen, so wird der abschließende Anhang aus der Perspektive einer
überlebenden zweiten Hauptperson nach den nämlichen Gesetzen gearbeitet.
(
Vorbemerkung zu dem 1898 erschienenen Kurzroman)
ZUM TODESTAG DES DICHTERS
Über den Autor (1845-1924)
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