Wenn ich zum Schluss mein Leben überblicke und die
bedingenden Ursachen und treibenden Kräfte aufsuche, die mich über alle
Hindernisse und Gefahren hinweg zu einer Lebensstellung führten, welche
mir Anerkennung und innere Befriedigung brachte und mich überreichlich
mit den materiellen Gütern des Lebens versah, so muss ich zunächst
anerkennen, dass das glückliche Zusammentreffen vieler Umstände dazu
mitgewirkt hat und ich überhaupt dem glücklichen Zufall viel dabei zu
danken habe. Ein solches glückliches Zusammentreffen war es schon, dass
mein Leben gerade in die Zeit der schnellen Entwicklung der
Naturwissenschaften fiel und dass ich mich besonders der elektrischen
Technik schon zuwandte, als sie noch ganz unentwickelt war und daher
einen sehr fruchtbaren Boden für Erfindungen und Verbesserungen bildete.
Andererseits habe ich aber im Leben auch vielfach mit ganz
ungewöhnlichem Missgeschick zu kämpfen gehabt. William Meyer, mein lieber
Jugendfreund und treuer Genosse, bezeichnete diesen steten Kampf mit
ganz unerwarteten Schwierigkeiten und unglücklichen Zufällen, die mir
bei meinen Unternehmungen anfangs in der Regel entgegentraten, deren Überwindung mir aber meist mit großem Glücke gelang, recht drastisch
mit dem studentischen Ausspruche, ich hätte »Sau beim Pech«. Ich muss die
Richtigkeit dieser Auffassung anerkennen, glaube aber doch nicht, dass
es nur blindes Schicksalswalten war, wodurch die Wellenlinie von Glück
und Unglück, auf der sich unser
Leben bewegt, mich so häufig den angestrebten Zielen zuführte. Erfolg
und Misserfolg, Sieg und Niederlage hängen im menschlichen Leben vielfach
ganz von der rechtzeitigen und richtigen Benutzung sich darbietender
Gelegenheiten ab. Die Eigenschaft, in kritischen Momenten schnell
entschlossen zu sein und ohne lange Überlegung das Richtige zu tun,
ist mir während meines ganzen Lebens so ziemlich treu geblieben, trotz
des etwas träumerischen Gedankenlebens, in das ich vielfach, ich könnte
fast sagen gewöhnlich versunken war. In unzähligen Fällen hat mich diese
Fähigkeit vor Schaden bewahrt und in schwierigen Lebenslagen richtig
geleitet.
Freilich gehörte immer eine gewisse Erregung dazu, um mir die
volle Herrschaft über meine geistigen Eigenschaften zu geben. Ich
bedurfte ihrer nicht nur, um meinem Gedankenleben entrissen zu werden,
sondern auch zum Schutze gegen meine eigenen Charakterschwächen. Zu
diesen rechne ich vornehmlich eine allzu große Gutmütigkeit, die es mir
ungemein schwer machte, eine an mich gerichtete Bitte abzuschlagen,
einen erkannten Wunsch nicht zu erfüllen, ja überhaupt jemand etwas zu
sagen oder zu tun, was ihm unangenehm oder schmerzlich sein musste. Zu
meinem Glücke stand dieser, besonders für einen Geschäftsmann und
Dirigenten vieler Leute sehr störenden Eigenschaft die andere gegenüber,
dass ich leicht erregt und in Zorn versetzt werden konnte. Dieser Zorn,
der immer leicht in mir aufstieg, wenn meine guten Absichten verkannt
oder missbraucht wurden, war stets eine Erlösung und Befreiung für mich,
und ich habe es oft ausgesprochen, dass mir jemand, mit dem ich
Unangenehmes zu verhandeln hatte, keinen größeren Dienst erweisen
könnte, als wenn er mir Ursache gäbe, zornig zu werden. Übrigens war
dieser Zorn in der Regel nur eine Form geistiger Erregung, die ich
niemals aus der Gewalt verlor. Obwohl ich in jüngeren Jahren von meinen
Freunden mit dem Spitznamen »Krauskopf« benannt wurde, womit sie einen
gewissen Zusammenhang zwischen meinem krausen Haar und krausen Sinn
andeuten wollten, so hat mich mein leicht aufbrausender Zorn doch nie zu
Handlungen verleitet, die ich später hätte bereuen müssen. Zum Leiter
großer Unternehmungen war ich auch in anderen Beziehungen
nur mangelhaft geeignet. Es fehlte mir dazu das gute Gedächtnis, der
Sinn für Ordnung und die konsequente, unnachsichtige Strenge. Wenn ich
trotzdem große Geschäftshäuser begründet und mit ungewöhnlichem Erfolge
geleitet habe, so ist dies ein Beweis dafür, daß mit Tatkraft gepaarter
Fleiß vielfach unsere Schwächen überwindet oder doch weniger schädlich
macht. Dabei kann ich mir selbst das Zeugnis geben, dass es nicht
Gewinnsucht war, die mich bewog, meine Arbeitskraft und mein Interesse
in so ausgedehntem Maße technischen Unternehmungen zuzuwenden. In der
Regel war es zunächst das wissenschaftlich-technische Interesse, das
mich einer Aufgabe zuführte. Ein Geschäftsfreund hänselte mich einmal
mit der Behauptung, ich ließe mich bei meinen Unternehmungen immer von
dem allgemeinen Nutzen leiten, den sie bringen sollten, fände aber
schließlich immer meine Rechnung dabei. Ich erkenne diese Bemerkung
innerhalb gewisser Grenzen als richtig an, denn solche Unternehmungen,
die das Gemeinwohl fördern, werden durch das allgemeine Interesse
getragen und erhalten dadurch größere Aussicht auf erfolgreiche
Durchführung. Indessen will ich auch die mächtige Einwirkung nicht
unterschätzen, welche der Erfolg und das ihm entspringende Bewusstsein,
Nützliches zu schaffen und zugleich Tausenden von fleißigen Arbeitern
dadurch ihr Brot zu geben, auf den Menschen ausübt. Dieses befriedigende
Bewusstsein wirkt anregend auf unsere geistigen Eigenschaften und ist
wohl die Grundlage des sonst etwas bedenklichen Sprichworts: »Wem Gott
ein Amt gibt, dem gibt er auch den Verstand dazu«.
Eine wesentliche Ursache für das schnelle
Aufblühen unserer Fabriken sehe ich darin, dass die Gegenstände unserer
Fabrikation zum großen Teil auf eigenen Erfindungen beruhten. Waren
diese auch in den meisten Fällen nicht durch Patente geschützt, so gaben
sie uns doch immer einen Vorsprung vor unsern Konkurrenten, der dann
gewöhnlich so lange anhielt, bis wir durch neue Verbesserungen abermals
einen Vorsprung gewannen. Andauernde Wirkung konnte das allerdings nur
in Folge des Rufes größter Zuverlässigkeit und Güte haben, dessen sich
unsere Fabrikate in der ganzen Welt erfreuten.
Außer dieser öffentlichen Anerkennung meiner technischen Leistungen sind
mir persönlich sowohl von den Herrschern der größeren Staaten Europas
wie von Universitäten, Akademien, wissenschaftlichen und technischen
Instituten und Gesellschaften Ehrenbezeugungen in so reichem Maße
erwiesen worden, dass mir kaum noch etwas zu wünschen übrig bleibt.
Ich begann die Niederschrift meiner Erinnerungen
mit dem biblischen Ausspruche »Unser Leben währet siebenzig Jahr und
wenn es hochkommt, so sind es achtzig Jahr«, und ich denke, sie wird
gezeigt haben, dass auch der Schluss des Denkspruches »und wenn es
köstlich gewesen, so ist es Mühe und Arbeit gewesen« sich an mir
bewährt. Denn mein Leben war schön, weil es wesentlich erfolgreiche Mühe
und nützliche Arbeit war, und wenn ich schließlich der Trauer darüber
Ausdruck gebe, dass es seinem Ende entgegengeht, so bewegt mich dazu der
Schmerz, dass ich von meinen Lieben scheiden muss und dass es mir nicht
vergönnt ist, an der vollen Entwicklung des naturwissenschaftlichen
Zeitalters erfolgreich weiter zu arbeiten.
(
Schluss der 1892 erschienenen Autobiographie)
ZUM TODESTAG DES UNTERNEHMENSGRÜNDERS
Über den Autor (1816-1892)
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