Sonntag, 7. Dezember 2014

Johann Nestroy: Das Mädl aus der Vorstadt

FRAU VON ERBSENSTEIN zu Schnoferl. Sie müssen das Innerste seines Herzens erforschen.
KAUZ. Ein Herz erforschen, is denn das a G'schäft für'n Herrn Schnoferl?
SCHNOFERL. O ja, denn ich bin Winkelagent, und welcher Gegenstand in der Welt hat mehr Winkeln als das menschliche Herz!
FRAU VON ERBSENSTEIN. Sie können ihm gradheraus sagen, er braucht sich wegen meiner gar nicht zu genieren.
NANETT zur Mitteltüre meldend. Herr und Frau von Blümerl –
FRAU VON ERBSENSTEIN. Schon gut, ich komm' gleich!
Nanett ab.

FRAU VON ERBSENSTEIN immer aufgeregter, fortfahrend zu Schnoferl. Es kost ihm nur ein Wort, und er hat seine Freiheit wieder, und er soll ja nicht glauben –
DOMINIK zur Mitteltüre meldend. Frau von Stutzmann mit die Fräulein Töchter –
SCHNOFERL. Die Stutzmannischen Töchter?
KAUZ. Jetzt rucken s' ein, die Gäst. –
FRAU VON ERBSENSTEIN ärgerlich zu Dominik. Auf was wart't Er denn, ich komm' ja gleich!
Dominik ab.

FRAU VON ERBSENSTEIN immer aufgeregter, zu Schnoferl fortfahrend. Und er soll ja nicht glauben, dass sich eine Frau, wie ich, kränkt um einen Mann, der ihren Wert nicht zu schätzen weiß, nicht einmal ärgern kann sich so eine Frau wie ich –
KAUZ für sich. Das is schön von ihr, dass sie sich nicht ärgert!
FRAU VON ERBSENSTEIN. Denn, Gott sei Dank, eine Frau wie ich, hat nicht nötig –
NANETT zur Mitteltüre meldend. Die Bitzibergrische Familie!
FRAU VON ERBSENSTEIN sehr ärgerlich. Na, na, sag' ich, ich komm' schon.
Nanett ab.

SCHNOFERL. Die Bitzibergrischen!
FRAU VON ERBSENSTEIN. Nein, wenn die Gäst' wüssten, wie z'wider sie einem oft sind, es ließ sich gar kein Mensch mehr einladen auf der Welt.
Mitteltüre ab.

SCHNOFERL indem er gedankenvoll der Frau von Erbsenstein nachblickt. Die Bitzibergrischen!

(Aus dem Ersten Akt der Posse von 1841)

ZUM GEBURTSTAG DES THEATERMANNS

Über den Autor (1801-1862)

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