Freitag, 5. Dezember 2014

Wolfgang Amadeus Mozart: Meinem lieben Freund Haydn

Ein Vater, der beschlossen hat, seine Söhne in die große Welt hinauszuschicken, meinte, sie dem Schutze und der Führung eines damals sehr berühmten Mannes anvertrauen zu müssen, einem Manne, der glücklicherweise auch sein Freund war. – In gleicher Weise sende ich Dir also, Du berühmter Mann und allerliebster Freund, meine Söhne. – Sie sind in der Tat die Frucht einer langen und mühsamen Arbeit, jedoch die Hoffnung, die mir von den meisten meiner Freunde gemacht wurde, dass sich diese Mühe wenigstens zum Teil lohnen würde, ermutigt mich, und der Gedanke schmeichelt mir, dass diese Kinder mir eines Tages etwas Trost bedeuten könnten. – Du selbst, allerliebster Freund, hast mir bei Deinem letzten Aufenthalt in dieser Hauptstadt Deine volle Zufriedenheit über sie zum Ausdruck gebracht. Es ist vor allem diese Deine Zustimmung, die mich angeregt hat, deshalb vertraue ich sie Dir an, und hoffe, dass sie Dir Deiner Gunst nicht gänzlich unwürdig scheinen werden. – Nimm sie bitte gütig an, sei ihr Vater, Führer und Freund! Von diesem Augenblick an überlasse ich Dir alle meine Rechte an ihnen: Ich bitte Dich aber, mit aller Nachsicht jene Fehler zu betrachten, die meinem voreingenommenen väterlichen Auge entgangen sein könnten, und Deine großzügige Freundschaft trotzdem weiter dem zu bewahren, der sie so sehr zu schätzen weiß.

(Am 1. September 1785 in der Wiener Widmung der sechs 'Haydnquartette'; Text gefunden im Taschenkalender 'Mit Mozart durch das Jahr 2006' des Bärenreiter-Verlags)

Streichquartett KV 428, einer der "Söhne", gespielt vom Busch-Quartett

ZUM TODESTAG DES KOMPONISTEN

Über den Autor (1756-1791)

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