Bilde dir die Befähigung aus, alles, was du erstrebst und erlebst, dir
gegenständlich zu machen und unterzuordnen einem einzigen großen
Gedanken, dem leitenden deines ganzen Lebens. Besitzest du dann freilich
nicht den Mut, diese Richtschnur deiner Handlungen frei und offen auch
mit den Lippen zu bekennen, nun, so kann es an sich den Wert deines
Daseins nicht verringern, wenn dessen edleres Wollen auch nur
unausgesprochen in ihm treibt, drängt, wirkt, verborgen wie die Blüte
der Religion duftet, Gebet, Selbstbetrachtung, die sich nur unter dem
Auge Gottes weiß.
Besitzest du ihn aber, diesen Mut, der seinen Handlungen und Unterlassungen, seiner Liebe, seinem Hass,
auch
äußerlich den Stempel eines weihevollen Ursprungs, das Gepräge bewussten Wollens
vor der Welt aufzudrücken wagt, so führst du, wie der
Dichter sagt, »ein Schauspiel für Götter« auf, vorausgesetzt, dass Inhalt
und Form deines Lebensgedichts immer unter den Gesetzen der Schönheit
und Wahrheit zugleich stehen.
(Aus der 1869 erschienenen Aphorismensammlung)
ZUM TODESTAG DES SCHRIFTSTELLERS
Über den Autor (1811-1878)
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