Samstag, 27. Dezember 2014

Johann Dietrich Winckler: Von der Unsterblichkeit der Seelen

Wer die Welt sammt allen denen herrlichen Geschöpffen, so in derselben anzutreffen, nicht obenhin nur und nachläßig ansiehet, sondern mit einer gebührenden Achtsamkeit beschauet, der wird sobald daher eine nachdrückliche Ueberzeugung bey sich empfinden, daß ein Schöpffer nothwendig seyn müsse, der das alles, was sich den Augen seines Leibes so wol, als des Gemüthes in der grössesten Herrlichkeit darstellet, mit so ausnehmender Weißheit geordnet, mit so unendlicher Krafft erschaffen, und zu der bewundernswürdigsten Vollkommenheit gebracht, niemand anders aber denn GOtt selbst, dasselbe zugeschrieben werden könne. Ueberführte davon nicht die eigene Erfahrung einen jeden, so würde vielleicht mancher, der nach der heutigen Art vieler rohen Seelen sich es für eine Ehre hält, an den offenbahrsten Grund-Wahrheiten zu zweiffeln, auch in der Verneinung dieser unumstößlichen Wahrheit gleichfals einigen scheinbahren Ruhm zu finden vermeinen. Allein so ist hiervon das Zeugniß aller Zeiten dergestalt deutlich und offenbahr, daß ein heiliger Zeuge JEsu unter den Heiden, ich meine, der Apostel Paulus dasselbe von den Heiden insgemein bestätiget, und deshalben die Römer in der an sie geschriebenen Epistel Cap. I, 19. 20 darauf führet, wenn er allda schreibet: Daß man weiß, daß ein GOtt sey, ist ihnen offenbahr, denn GOtt hat es ihnen offenbahret, damit, daß GOttes unsichtbahres Wesen, das ist, seine ewige Krafft und Gottheit, wird ersehen, so man das wahrnimmt an den Wercken, nehmlich an der Schöpffung der Welt.

(Paragraph I der 1742 erschienenen Schrift)

ZUM GEBURTSTAG DES THEOLOGEN

Über den Autor (1711-1784)

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