Mittwoch, 24. Dezember 2014

Cosima Wagner: An König Ludwig II.

Allergrossmächtigster König!
Allergnädigster König und Herr!

Darf ich es wagen, Eurer Majestät zu Allerhöchst-Deren Geburtsfeste mit unterthänigstem Glückwunsche und einer geringen Gabe mich zu nahen?

Schwer fiel es mir im vorigen Jahre den Ausdruck meines ewigen Dankgefühles zurückzudrängen: heute will es mich unmöglich dünken. So habe ich mich denn erkühnt, Eurer Majestät in einer schlichten Arbeit die Symbole der hohen Werke zusammenzustellen, welche Eure Königliche Majestät durch die hehrste Tat sich zu eigen gewonnen. Des Holländer's Schiff, Tannhäuser's Stab, Lohengrin's Schwan, Siegfried's Schwert, Tristan's Schaale – ich habe sie auf der grünen Grund der Hoffnung gestickt, – deren Panier Euere Königliche Hand in trübster Nacht geschwungen, und mit den Blumen umgeben welche den Erlöser Parzival am Charfreitag so wunderbar entgegenblühen. Nach überstandener Sturmesgefahr bringt in Demuth der Seemann sein bescheidenes Ex-voto der göttlichen Jungfrau dar und dankt mit Inbrunnst dem verliehenen Schutze: so lege ich Euerer Majestät meine kleine Arbeit zu Füssen; jeder Stich enthält einen Segensspruch!

Wer um die heilige Kunst im tiefsten Herzen gelitten, wer in dem eignen Vater und Gatten geweihte Kämpfer für dieselbe erkannt, wer mit Angst und Trauer gesehen, wie hoffnungslos von der Welt bejubelt und doch geächtet der grosse Schöpfer der höchsten Kunst heimathlos umherirren musste – nur der allein vermag es zu ahnen welche That Euere Majestät vollbracht!

In einem seiner tiefsinnigsten "Auto's" lässt der spanische Dichter den König die wankende Religion stützen und sich dadurch ewigen Ruhm auf Erden, ewige Seligkeit im Himmel erküren: Euere Majestät haben in dem göttlichen Freunde die Kunst selbst gestützt, ja gerettet, dem Welt-Hohn zugerufen, wie Gott den Meereswogen: nicht weiter darfst Du walten! .. Ewig, wie sie einzig ist, wird sie prangen diese That! Unsere Kunst – ich wage es zu sagen – ist Religion, ihre Träger sind Märtyrer; Wunder wirkt sie, die heilige in dürrster Zeit, unsere Thränen empfängt sie und wandelt sie zu Perlen, den Aufschrei unserer Seele verklärt sie zum Gesang, ihre Wurzeln haften im irdischen Leiden und ihre Blüthen spenden den überirdischen Trost: so kann und wird sie, ich ahne es mit Sicherheit, die Menschheit dereinst neu erlösen. Doch musste sie, die göttliche zuerst unerkannt, dann verkannt und verfolgt unter den Menschen umherirren welche von ihr nicht Erbauung sondern Zerstreuung, nicht Erhebung sondern Ergötzung verlangten. Ernst und milderhaben erscheint sie in unsrer Welt gleich der christlichen Tugend in der alten römischen – wie der älteren Schwester droht ihr Verbannung und Gefahr, doch:

"Wach auf, es nahet gen dem Tag,
Ich höre singen im grünen Hag
eine wonnigliche Nachtigal,
ihr Stimm' durchklinget Berg und Thal:
die Nacht neigt sich zum Occident,
der Tag geht auf von Orient
die rothbrünstige Morgenröth
her durch die trüben Wolken geht ..."

Was seit Menschengedenken die Fürsten Grosses für die Kunst gewirkt nie liess es sich vergleichen mit Euerer Majestät erhabener That! Raphael zu begünstigen, Calderon zu ehren, Shakespeare zu bewundern, das waren schöne leichte lächelnde Aufgaben, im Einklänge mit der Welt; Wagner zu retten, dem Heiligenscheine der Kunst die königliche Krone zu vermählen, den Verkannten zu lieben, dem Heimathlosen eine Heimath zu gründen, dem Hoffnungslosen höchste Gewissheit darzureichen, dem müden und verzagenden Gotte leuchtende Schwingen zu verleihen, der trauernden ewig gequälten Seele Frieden und Glauben zu bieten – dies war höchster, heiligster, schwerster Königlicher Beruf! Ein Wunder ist geschehen:

Wie preis' ich dieses Wunder
aus meines Herzen's Tiefe!

Und so rufe ich denn Heil dem "leutenden Tag", Heil dem "Wecker des Lebens", Heil dem "siegenden Lichte!"

In tiefster Ehrfurcht verharre ich Euerer Königlichen Majestät treu gehorsamste Dienerin
Cosima von Bülow-Liszt

(Brief aus Pesth vom 20. August 1865)

ZUM GEBURTSTAG DER FESTSPIELLEITERIN

Über die Autorin (1837-1930)

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