Samstag, 7. Juni 2014

Friedrich Hölderlin: Dichtermut

Sind denn dir nicht verwandt alle Lebendigen,
    Nährt die Parze denn nicht selber im Dienste dich?
        Drum, so wandle nur wehrlos
            Fort durchs Leben, und fürchte nichts!

Was geschiehet, es sei alles gesegnet dir,
    Sei zur Freude gewandt! oder was könnte denn
        Dich beleidigen, Herz! was
            Da begegnen, wohin du sollst?

Denn, seitdem der Gesang sterblichen Lippen sich
    Friedenatmend entwand, frommend in Leid und Glück
        Unsre Weise der Menschen
            Herz erfreute, so waren auch

Wir, die Sänger des Volks, gerne bei Lebenden
    Wo sich vieles gesellt, freudig und jedem hold,
        Jedem offen; so ist ja
            Unser Ahne, der Sonnengott,

Der den fröhlichen Tag Armen und Reichen gönnt,
    Der in flüchtiger Zeit uns, die Vergänglichen,
        Aufgerichtet an goldnen
            Gängelbanden, wie Kinder, hält.

Ihn erwartet, auch ihn nimmt, wo die Stunde kömmt,
    Seine purpurne Flut; sieh! und das edle Licht
        Gehet, kundig des Wandels,
            Gleichgesinnet hinab den Pfad.

So vergehe denn auch, wenn es die Zeit einst ist
    Und dem Geiste sein Recht nirgend gebracht, so sterb'
        Einst im Ernste des Lebens
            Unsre Freude, doch schönen Tod!


ZUM TODESTAG DES DICHTERS

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