Dienstag, 17. Juni 2014

Otto Lehmann: Physikalische Technik oder Anleitung zu Experimentalvorträgen

Manche Lehrbücher beginnen mit Auseinandersetzungen über die Aufgabe der Physik. Ich halte dies nicht für zweckmäßig. Die Aufgabe der Physik vermag der Schüler erst richtig zu erfassen, wenn er den wesentlichen Inhalt derselben bereits beherrscht, nicht vorher. Außerdem dürfte bei den meisten Schülern gar kein Bedürfnis nach einer derartigen Aufklärung mehr oder minder philosophischer Natur vorhanden sein. Weit eher dürfte es sie interessieren, zu erfahren, wie denn diese Wissenschaft entstanden ist und welche Männer sie im Laufe der Zeit zu ihrer gegenwärtigen Vollkommenheit ausgebildet haben. Damit ist natürlich nicht etwa gemeint, dass der Unterricht mit einer kurzen Darlegung der Geschichte der Physik beginnen soll, die dem Schüler aus gleichen Gründen nicht minder unverständlich bleiben würde wie die erwähnten Erörterungen erkenntnistheoretischer Natur. Es soll vielmehr während der Behandlung des Lehrstoffes immerfort auf die historische Entwicklung der Kenntnisse hingewiesen, auch soll dann und wann Wissenswertes aus den Lebensschicksalen der berühmten Forscher berührt werden. / Ich pflege deshalb zu beginnen mit einem Hinweis darauf, dass jeder Mensch naturgemäß das Bedürfnis hat, die Vorgänge, die er wahrnimmt, zu begreifen, und dass dies schon in den ältesten Zeiten, von welchen wir Kunde haben, sich so verhielt.

(Aus dem ersten Band des 1905 erschienenen Lehrbuchs)

ZUM TODESTAG DES PHYSIKERS

Über den Autor (1855-1922)

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