Wenn man bedenkt, wie auf die jedesmalige Generation in einem Volk alles
das bindend einwirkt, was die Sprache desselben alle vorigen
Jahrhunderte hindurch erfahren hat, und wie damit nur die Kraft der
einzelnen Generation in Berührung tritt und diese nicht einmal rein, da
das aufwachsende und abtretende Geschlecht untermischt nebeneinander
leben, so wird klar, wie gering eigentlich die Kraft des Einzelnen gegen
die Macht der Sprache ist. Nur durch die ungemeine Bildsamkeit der
letzteren, durch die Möglichkeit,
ihre Formen, dem allgemeinen Verständnis unbeschadet, auf sehr
verschiedene Weise aufzunehmen, und durch die Gewalt, welche alles
lebendig Geistige über das tot Überlieferte ausübt, wird das
Gleichgewicht wieder einigermaßen hergestellt. Doch ist es immer die
Sprache, in welcher jeder Einzelne am lebendigsten fühlt, dass er nichts
als ein Ausfluss des ganzen Menschengeschlechts ist. Nur weil doch
jeder einzeln und unaufhörlich auf sie zurückwirkt, bringt dem ungeachtet
jede Generation eine Veränderung in ihr hervor, die sich nur oft der
Beobachtung entzieht. Denn die Veränderung liegt nicht immer in den
Wörtern und Formen selbst, sondern bisweilen nur in dem anders
modifizierten Gebrauche derselben, und dies letztere ist, wo Schrift und
Literatur mangeln, schwieriger wahrzunehmen.
(Aus dem Zweiten Abschnitt der 1836 postum als Sonderdruck erschienenen Einleitung zu dem dreibändigen Werk "Über die Kawi-Sprache auf der Insel Java")
ZUM GEBURTSTAG DES GELEHRTEN
Über den Autor (1767-1835)
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