Donnerstag, 15. Januar 2015

Franz Grillparzer: Die Jüdin von Toledo

Im königlichen Garten von Toledo.
Isaak, Rahel und Esther kommen.
ISAAK.
Bleib zurück, geh nicht in Garten!
Weißt du nicht, es ist verboten?
Wenn der König hier lustwandelt,
Darf kein Jüd – Gott wird sie richten! –
Darf kein Jüd den Ort betreten.
RAHEL singt.
La la la la.
ISAAK.
Hörst du nicht denn?
RAHEL.
Ei, wohl hör ich.
ISAAK.
Nun, und weichst nicht?
RAHEL.
Hör und weiche doch nicht.
ISAAK.
Je, je, je! was sucht mich Gott?
Gab doch meinen Deut den Armen,
Hab gebetet und gefastet,
Weiß nicht, wie Verbotnes schmecket,
Je, und dennoch sucht mich Gott!
RAHEL zu Esther.
Ei, was zerrst du mich am Arme?
Und ich bleib und gehe doch nicht.
Ich will mal den König sehen;
Und den Hof und all ihr Wesen,
All ihr Gold und ihr Geschmeide.
Soll ein Herr sein, weiß und rot,
Jung und schön, ich will ihn sehn.
ISAAK.
Und wenn dich die Knechte fangen?
RAHEL.
Ei, ich bitte mich wohl los.
ISAAK.
Ja, wie deine Mutter, gelt?
Die sah auch nach schmucken Christen,
War nach Misraims Töpfen lüstern.
Hielt ich sie nicht streng bewacht,
Glaubt ich – nu, Gott wird verzeihen! –
Deine Torheit stamme dorther,
Sei ein Erbteil schnöder Christen.
Da lob ich mein erstes Weib,
Zu Esther.
Deine Mutter, brav wie du,
Wenn auch arm. Was nützte mir
Auch der Reichtum jener zweiten?
Hat sie nicht damit geschaltet,
Schmaus und Gastgebot gehalten,
Schmuck gekauft und Edelstein?
Schau! sie ist wohl ihre Tochter!
Hat sie sich nicht rings behangen,
Prangt sie nicht in stolzen Kleidern,
Als ein Babel anzusehn?
RAHEL singend.
Bin ich nicht schön,
Bin ich nicht reich?
Und sie ärgern sich,
Und mich kümmerts nicht. La la la la.
ISAAK.
So geht sie auf reichen Schuhen;
Nützt sie ab, frägt nichts darnach,
Jeder Schritt gilt einen Dreier.
Hat im Ohr ihr reich Geschmeide,
Kommt ein Dieb und nimmt ihrs ab,
Fällts in Busch, wer findets wieder?
RAHEL ein Ohrgehänge abnehmend.
Sieh, so schraub ichs los und halt es.
Wie das blitzt und wie das flimmert!
Und doch acht ichs so geringe,
Wenn mirs einfällt, schenk ichs dir,
Zu Esther.
Oder werf es von mir. Sieh!
Sie macht mit der Hand eine fortschleudernde Bewegung.
ISAAK nach der Richtung des Wurfes laufend.
Weh, o weh! Wo flog es hin?
Weh, o weh! Wie find ichs wieder?
Er sucht im Gesträuche.
ESTHER.
Ei, was kommt dich an? Das Kleinod –
RAHEL.
Glaubst du denn, ich sei so töricht
Und verschleuderte das Gut?
Sieh! ich habs, halts in der Hand,
Häng es wieder in mein Ohr,
Weiß und klein, zum Schmuck der Wange.
ISAAK suchend.
Weh! Verloren!
RAHEL.
Vater, kommt nur!
Seht, das Kleinod ist gefunden.
's war ja Spaß nur.
ISAAK.
Daß dich Gott –!

So zu spaßen! Und nun komm!
RAHEL.
Vater, jedes, nur nicht dies.
Ich muß mal den König sehen
Und er mich, ja, ja, er mich.
Wenn er kommt und wenn er fragt:
Wer ist dort die schöne Jüdin?
Sag, wie heißt du? – Rahel, Herr!
Isaaks Rahel! sprech ich dann.
Und er kneipt mich in die Backen.
Heiße dann die schöne Rahel.
Mag der Neid darob zerplatzen.
Wenn sies ärgert, kümmerts mich?
ESTHER.
Vater!
ISAAK.
Wie?
ESTHER.
Dort naht der Haufen.
ISAAK.
Herr des Lebens! was geschieht mir?
's ist Rehabeam und sein Volk.
Wirst du gehen?
RAHEL.
Vater, hört doch!
ISAAK.
Nun, so bleibe. Esther, komm!
Lassen wir allein die Törin.
Mag der Unrein-Händge kommen,
Sie berühren, mag sie töten!
Hat sies selber doch gewollt.
Esther, komm!
RAHEL.
Je, Vater, bleibt!
ISAAK.
Immer zu! Komm, Esther, komm!
Er geht.
RAHEL.
Ich will nicht allein sein! Hört ihr?
Bleibt! – Sie gehn. – O weh mir, weh!
Ich will nicht allein sein! Hört ihr?
Ach, sie kommen. – Schwester! Vater!
Eilt ihnen nach.
Der König, die Königin, Manrique de Lara und Gefolge kommen.


ZUM GEBURTSTAG DES SCHRIFTSTELLERS

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