Mittwoch, 16. Juli 2014

Andreas Gryphius: Leo Armenius, oder: Fürsten-Mord

Was ist ein Prinz doch mehr als ein gekrönter Knecht,
Den jeden Augenblick, was hoch, was tief, was schlecht,
Was mächtig, trotzt und höhnt; den stets von beiden Seiten
Neid, Untreu, Argwohn, Hass, Schmerz, Angst und Furcht bestreiten?
Wem traut er seinen Leib, weil er die lange Nacht
In lauter Sorgen teilt und für die Länder wacht,
Die mehr auf seinen Schmuck als rauen Kummer sehen,
Und – weil ihm nicht mehr frei – was Ruhm verdienet, schmähen?
Wen nimmt er auf den Hof? Den, der sein Leben wagt
Bald für, bald wider ihn und ihn vom Hofe jagt,
Wenn sich das Spiel verkehrt. Man muss den Todfeind ehren,
Mit blinden Augen sehn, mit tauben Ohren hören.
Man muss, wie sehr das Herz von Zorn und Eifer brennt,
In Worten sittsam sein und den, der Regiment
Und Kron' mit Füßen tritt, zu Ehren-Ämtern heben.
Wie oft ist diese Schuld dem Lästerer vergeben!

(Aus dem Ersten Akt des 1650 erschienenen Trauerspiels)

ZUM TODESTAG DES BAROCKDICHTERS

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