Als
deutscher Staatsbürger, als deutscher Hochschullehrer und als
politischer Mensch erachte ich es als Recht nicht nur, sondern als
sittliche Pflicht, an der Gestaltung der deutschen Geschichte
mitzuarbeiten, offenkundige Schwächen aufzudecken und zu bekämpfen [...]. Was ich bezweckte, war die Weckung der studentischen Kreise nicht
durch eine Organisation, sondern durch das schlichte Wort, nicht zu
irgendeinem Akt der Gewalt, sondern zur sittlichen Einsicht in
bestehende schwere Schäden des politischen Lebens. Rückkehr zu klaren
sittlichen Grundsätzen, zum Rechtsstaat, zu gegenseitigem Vertrauen von
Mensch zu Mensch, das ist nicht illegal, sondern umgekehrt die
Wiederherstellung der Legalität. Ich habe mich im Sinne von Kants
kategorischem Imperativ gefragt, was geschähe, wenn diese subjektive
Maxime meines Handelns ein allgemeines Gesetz würde. [...] Ein
Staat, der jegliche freie Meinungsäußerung und jede sittlich
berechtigte Kritik, jeden Verbesserungsvorschlag als "Vorbereitung zum
Hochverrat" unter die furchtbarsten Strafen stellt, bricht ein
ungeschriebenes deutsches, germanisches Recht, das im "gesunden
Volksempfinden" noch immer lebendig war und lebendig bleiben muss. [...]
Ich habe das eine Ziel erreicht, diese Warnung und Mahnung nicht in
einem privaten, kleinen Diskutierclub, sondern an verantwortlicher, an
höchster richterlicher Stelle vorzubringen. Ich setze für diese Mahnung,
für diese beschwörende Bitte zur Rückkehr, mein Leben ein. Ich fordere
die Freiheit für unser deutsches Volk zurück. [...] Sie
haben mir den Rang und die Rechte des Professors und den „summa cum
laude“ erarbeiteten Doktorhut genommen und mich dem niedrigsten
Verbrecher gleichgestellt. Die innere Würde des Hochschullehrers, des
offenen, mutigen Bekenners seiner Welt- und Staatsanschauung, kann mir
kein Hochverratsverfahren rauben. Mein Handeln und Wollen wird der
eherne Gang der Geschichte rechtfertigen, darauf vertraue ich
felsenfest. Ich hoffe zu Gott, dass die geistigen Kräfte, die es
rechtfertigen, rechtzeitig aus meinem eigenen Volke sich entbinden
mögen. Ich habe gehandelt, wie ich aus meiner inneren Stimme heraus
handeln musste. Ich nehme die Folgen auf mich nach dem schönen Wort Johann Gottlieb Fichtes: "Und handeln sollst du so, / Als hinge von dir und deinem Tun allein / Das Schicksal ab der deutschen Dinge, / Und die Verantwortung wär dein!"
(Auszüge der Rede im zweiten "Weiße Rose"-Prozess am 19. April 1943)
ZUM TODESTAG DES MUSIKWISSENSCHAFTLERS
Über den Autor (1893-1943)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen