Sonntag, 27. Juli 2014

Charlotte von Ahlefeld: Der Sommerregen

Wie milde säuselst Du, o kühler Regen,
Auf die verschmachtende, verbleichte Flur.
Dein längst so heiß, so bang erflehter Segen,
Erfrischt die ganze seufzende Natur,
Und neu gestärkt erheben Gras und Bäume
Die matten Häupter in der Lüfte Räume.

Der Sonne Glut schien alles zu verzehren;
Es welkte still dahin der Blumen Glanz.
Die Pflanzen neigten sich – ein allgemein Verheeren
Bedrohte selbst der Wälder dunklen Kranz,
Und brennend schien in ihrer dumpfen Schwüle
Die schwere Luft dem lechzenden Gefühle.

Da strömtest Du, aus höhern Regionen
Zur Labung freundlich uns herabgesandt,
Die kühlen Perlen, die in Millionen
Voll heißen Durstes trank das dürre Land.
Wie gute Geister wehen durch die Fluren
Der neuen Lust und der Erquickung Spuren.

So mildert gern den heißen Brand der Schmerzen,
Der uns im Lauf des Lebens oft versengt,
Der Tränen Tau, der sanft aus unsern Herzen
Das bittre Gift verschlossnen Grames drängt,
Und Lindrung bringen uns der Wehmut Gaben,
Indem sie still den bangen Busen laben.

O netzt auch mir das Auge, das so dunkel
Nur öde Wüsten steinigt vor sich sieht,
Und dem der Hoffnung goldnes Sterngefunkel
In unerreichbar weite Ferne flieht.
Ach, wie der matten Flur ein frischer Regen,
Sind Tränen meinem kranken Herzen Segen.

(Aus der 1808 erschienenen Sammlung "Gedichte von Natalie")

ZUM TODESTAG DER SCHRIFTSTELLERIN

Über die Autorin (1781-1849)

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