Montag, 28. Juli 2014

Ludwig Feuerbach: Philosophische Kritiken und Grundsätze

Weg mit der Klage über die Kürze des Lebens! Sie ist eine Finte der Gottheit, durch die sie sich den Weg zu unserm Geist und Herzen bahnt, um uns die besten Säfte zum Nutzen anderer Wesen abzuzapfen. Die besten? Nein, die Säfte, die schon nahe an der Fäulnis sind und uns Gift zu werden drohen, wenn ihnen nicht schleunigst ein Abfluss eröffnet wird. Je kürzer unser Leben ist, je weniger wir Zeit haben, gerade desto mehr haben wir Zeit; denn der Mangel an Zeit verdoppelt unsre Kräfte, konzentriert uns nur auf das Notwendige und Wesentliche, flößt uns Geistesgegenwart, Unternehmungsgeist, Takt, Entschlossenheit ein. Es gibt darum keine schlechtere Entschuldigung als die mit dem Mangel an Zeit. Was man insgemein Mangel an Zeit nennt, ist Mangel an Lust, an Kraft, an Gewandtheit, seinen gewohnten Schlendrian zu unterbrechen.

(Aus dem "Tagebuch von 1834-1836")

ZUM GEBURTSTAG DES RELIGIONSKRITIKERS

Über den Autor (1804-1874)

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